Mit deinen Augen
meine Autorität schmälert. Ich habe mich nicht telefonisch angekündigt, damit sie sich nicht im Voraus ihre Antworten zurechtlegen können.
»Hallo?« Ich spähe durch die Fliegengittertür, dann gehe ich hinein und rufe nach oben: »Ich bin’s, Matt.«
Sie kommen beide gleichzeitig herunter. Ihre Gesichter sind gerötet. Mark und Kai Mitchell sind unsere Freunde, aber beide sind enger mit Joanie verbunden als mit mir. Mark trägt Schlafanzughosen und findet das peinlich. So wie es aussieht, haben sie gerade miteinander geschlafen, aber ich bezweifle das.Verheiratete Paare haben keinen Sex am Vormittag - da bin ich mir ziemlich sicher.
»Habe ich euch geweckt? Entschuldigung!«
Kai wischt meine Sorge mit einer Handbewegung weg. »Nein, wir haben uns nur gerade gestritten. Komm, setz dich. Möchtest du einen Kaffee?«
»Ja, gern«, antworte ich. »Ich habe was zu essen mitgebracht.«
Ich breite meine Gaben auf dem Küchentisch aus, aber Mark schüttelt eine Schachtel Cornflakes.
»Vollkorn«, sagt er.
»Ach so.«
Sie setzen sich beide hin, mit Kaffee, Vollkornfrühstücksflocken und einem Döschen Vitamintabletten. Eine Porzellankuh mit fettreduzierter Kaffeesahne steht bereit, und ich gieße mir etwas davon in meine Tasse.
»Worüber habt ihr euch gestritten?«, frage ich.
»Ach, über etwas Blödes«, sagt Mark.
»Gar nichts Blödes! Mark will immer irgendwelche Partys schmeißen und Leute einladen, und an wem bleibt die ganze Arbeit hängen? An mir.«
»Aber ich sage dir doch, du musst gar nichts tun. Du brauchst weder zu putzen noch einzukaufen noch neue Klamotten zu kaufen oder dir einen passenden Cocktail auszudenken. Ich will einfach nur Leute einladen und mit ihnen etwas trinken und Spaß haben.«
»So einfach ist das nicht.«
»Ist es doch!«
»Oh, mein Gott«, sagt Kai. »Ist Joanie... wie geht es Joanie? Ist alles okay? Wir sitzen hier und labern herum …«
»Ja«, sage ich. »Das heißt , im Moment ist alles okay.« Ich rede nicht weiter. Ich stelle mir ihre Gesichter vor, wenn ich ihnen alles erzähle. Sie sollen erst in Ruhe frühstücken. Beileidsbekundungen sind mir unerträglich, aktiv wie passiv, und mir wird klar, dass ich meine Liste unmöglich abarbeiten kann.
»Ich muss lernen, verschiedene Dinge zu akzeptieren«, sage ich. Ich sehe Kai an. »Zum Beispiel das Abschiednehmen.«
»Verstehe«, sagt Kai.
Mark schweigt. Manchmal redet er stundenlang kein Wort. Er sieht immer so aus, als würde das Leben ihn überfordern.
»Wer ist es?«, frage ich.
Sie halten ihre Tassen unverhältnismäßig lang an den Lippen. Mark greift nach einem süßen Teilchen mit Vanillepudding und stopft sich einen großen Bissen in den Mund.
»Liebt sie ihn? Wer ist es?«
Kai schiebt ihre Hand über den Tisch, bis sie meine fast berührt. »Matt«, sagt sie nur.
»Ich weiß, das ist nicht angenehm für euch, und es tut mir ja auch leid, dass ich euch in diese Lage bringe, aber ich muss es wissen. Ich möchte einfach wissen , wer meine Frau gevögelt hat.« Und plötzlich wird mir eiskalt, obwohl ich gerade noch geschwitzt habe.
Kais Hand wandert zurück. »Du bist wütend«, sagt sie.
»Was denn sonst?« Ich presse mir auch ein großes Stück Kuchen in den Mund, um nicht weiterzureden, füge aber trotzdem hinzu: »Was soll ist denn sonst sein als wütend?«
»Genau das ist der Grund«, murmelt Kai.
Marks Augen werden groß.
Ich kaue. Das Teilchen schmeckt so gut, dass ich fast etwas Lobendes sage. »Genau was ist der Grund?«
Niemand sagt etwas. Ich grinse, weil Kai jetzt in der Klemme sitzt. »Ist das der Grund, weshalb sie mich betrogen hat? Weil ich mit vollem Mund rede? Oder weil ich Schimpfwörter benutze? Weil ich fluche und beschissene Manieren habe?«
»Meine Güte!« Kai schüttelt den Kopf. »Ich glaube, wir sollten lieber ein anderes Mal weiterreden. Du musst dich erst mal abregen, Matt.«
Ich sehe Mark an. »Ich gehe nicht.«
»Du kennst ihn nicht«, sagt Mark.
»Ach, fang bloß nicht an, Mark!«, warnt Kai. »Du bist ihr Freund. Du solltest dich schämen.«
»Ich bin auch Matts Freund«, erwidert er. »Und das sind besondere Umstände.«
Kai steht auf. »Das ist ein Vertrauensbruch.«
»He, erlaube mal«, rufe ich. »Ein Vertrauensbruch? Und was ist mit mir? Sie hat mich hintergangen - oder etwa nicht?«
»Hör zu.« Kai stützt den Ellbogen auf und zeigt mit dem Finger auf mich. »Es ist nicht ihre Schuld. Sie hat Bedürfnisse. Sie war einsam.«
»War es noch akut,
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