Mit deinen Augen
als sie den Unfall hatte?«
Mark nickt.
»Wer ist es?«, frage ich noch einmal.
»Ich habe mich rausgehalten«, sagt Mark. »Wenn Kai davon angefangen hat, bin ich immer aus dem Zimmer gegangen.«
»Aber du hast dich daraufgestürzt, nicht wahr, Kai?« Jetzt bin ich an der Reihe, mit dem Finger zu zeigen. »Du hast sie wahrscheinlich angestachelt, damit dein eigenes Leben ein bisschen spannender wird, ohne jedes Risiko.«
»Du benimmst dich unmöglich.« Kai beendet ihre Anklage mit einem Winseln, aber das besänftigt mich nicht.
»Wen wollt ihr eigentlich decken?«, frage ich. »Joanie braucht euren Schutz nicht mehr.« In meiner Kehle verhakt sich der Schmerz. »Sie wird sterben.«
»Das darfst du nicht sagen«, flüstert Kai.
»Sie wird nicht durchkommen. Es ist schlimmer geworden. Wir stellen die Geräte ab.«
Kai fängt an zu weinen, und ich bin erleichtert. Ich konzentriere mich jetzt darauf, sie zu trösten, genau wie Mark.
»Es tut mir leid«, sage ich. »Ich kann nicht mehr. Ich wollte es nicht an euch auslassen.«
Kai nickt, um mir zuzustimmen, vermute ich.
»Liebt sie ihn?«, frage ich.
Mark starrt mich ausdruckslos an. Offenbar hat er keine Ahnung. So was ist Frauensache.
»Wie kannst du nach diesem Mann fragen, wenn sie im Sterben liegt?«, sagt Kai. »Wen interessiert das jetzt noch? Ja, sie liebt ihn. Sie war verrückt nach ihm. Sie wollte die Scheidung.«
»Sei still, Kai!«, sagt Mark. »Verdammt noch mal. Halt den Mund.«
»Sie wollte die Scheidung? Ist das euer Ernst?« Ich schaue die beiden an.
Kai schlägt die Hände vors Gesicht und schluchzt: »Ich hätte nichts sagen sollen. Es spielt doch keine Rolle mehr.«
»Aber es stimmt?«
»Tut mir leid, Matt«, sagt sie. »Es tut mir alles so leid. Ich weiß nicht, was in mir vorgegangen ist.«
Mark schließt die Augen, holt tief Luft und rückt von seiner Frau ab.
»Also, Joanie hatte eine Affäre«, sage ich. »Sie hatte eine Affäre, und sie liebt einen anderen Mann und nicht mich. Meine Frau liegt im Sterben, ich bin ein Wrack, und ihr habt mir immer noch nicht verraten, wer es ist.«
»Brian«, sagt Mark. »Brian Speer.«
Ich erhebe mich. »Danke.«
Kai weint immer noch. Ihr tränenüberströmtes Gesicht erinnert mich an ihren Sohn Luke und wie er aussah, wenn er weinte. Ich muss an die Zeit denken, als er etwas jünger war als Scottie jetzt und nur auf den Namen Spiderman hören wollte. Sogar seine Lehrer haben das Spiel mitgemacht, und wenn er sich im Unterricht meldete, sagten sie: »Ja, Spiderman?« Ich war derjenige, der ihn schließlich dazu brachte, diesen Spleen aufzugeben und wieder seinen richtigen Namen anzunehmen. Meine Methode ist und bleibt unser Geheimnis. Ich weiß nicht einmal, ob Luke selbst sich daran erinnert.
Ich gehe aus der Küche, mit meinen restlichen Teilchen. Wie oft habe ich im vergangenen Jahr die Mitchells gesehen? Sie haben nicht ein einziges Mal angedeutet, dass Joanie und ich ein Problem haben könnten. Es ist mir peinlich. Mark begleitet mich zur Tür, öffnet sie und zieht den Kopf ein, und ich verlasse das Haus, ohne etwas zu ihm zu sagen. Ich glaube, es wird eine ganze Weile dauern, bis ich wieder mit den beiden reden kann.
Ich gehe zum Auto und denke an den Abend, an dem ich Lukes blöde Masche geknackt habe. Joanie und ich waren bei den Mitchells zum Essen eingeladen. Ich stand draußen und schaute in den Garten. Luke versuchte, Kröten zu fangen. Er hatte das Poolnetz in der einen Hand, seine Spiderman-Figur in der anderen, und irgendwie klappte das alles nicht so recht.
»Schau mal, Luke«, sagte ich. »Da sitzt eine.«
Luke drehte sich um, bremste sich aber sofort und starrte geradeaus.
»Luke«, sagte ich noch einmal. Seine Eltern plauderten mit Joanie an der Bar. Sie hatten gerade zu dritt einen Joint geraucht und gackerten laut und albern. Ich kniete mich neben Luke. »Soll ich dir was sagen?«, sagte ich. »Spiderman hat eine Vagina.«
Luke sah erst mich an und dann die Figur in seiner Hand. »Hier«, sagte ich und deutete auf Spidermans Schritt. »Keine Ausbuchtung. Da ist nichts, siehst du?«
Er fuhr mit der Hand über den Plastikschritt.
»Spiderman ist ein Versager. Die anderen Superhelden bezeichnen ihn als Schwuchtel. Sie sagen: ›Hau ab, du klebrige rote Schwuchtel.‹« Ich wusste selbst nicht, warum ich ihm diesen Quatsch erzählte, aber als ich dann seine Eltern bekifft kichern hörte, wurde es mir klar.
Luke betrachtete seine Spiderman-Figur.
»Willst du
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