Mit deinen Augen
immer noch, dass ich Spiderman zu dir sage?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich verlasse den Stadtteil Nu’uanu, und als ich wieder auf dem Pali Highway bin, kann ich nur zwei Gedanken denken: Meine Frau liegt im Sterben, und ihr Liebhaber heißt Brian Speer.
16
Sid ist da. Er ist groß und schlaksig. Als Alex uns vorstellte, sagte er: »Wie geht’s?«, nahm meine Hand, zog mich zu sich, schlug mir auf den Rücken und stieß mich wieder weg.
»Mach das nie wieder!«, warnte ich ihn, und er gab ein kurzes, glucksendes Lachen von sich.
Aus irgendeinem Grund stehen wir jetzt alle auf dem Rasen ; als er ankam habe ich ihm aus reiner Gewohnheit etwas zu trinken angeboten, so wie ich es immer mache, wenn Gäste kommen. Ich habe sein 7-Up in ein Glas gegossen, und es wirkt so albern und förmlich, wie er nun dasteht, mit einem Glas und einer Cocktailserviette in der Hand, als würde ich gerade meinen zukünftigen Schwiegersohn kennenlernen, was hoffentlich nicht der Fall ist.
Alex ist still und zurückhaltend in seiner Gegenwart, und die Situation ist mir ihretwegen unangenehm.
»Alex, möchtest du immer noch mit mir zu Racer kommen und dann zu den Großeltern? Ich fahre demnächst los, also...«
»Sie kennen jemanden, der Racer heißt?«, fragt Sid.
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich mitkomme«, sagt Alex. »Wir kommen beide mit.« Sie lehnt sich an Sid, der seinen Blick prüfend über unser Haus schweifen lässt und dann irgendetwas von ihrer Schulter zupft.
Ich betrachte Sids Schuhe. Sie sind verblüffend sauber und weiß. »Er braucht nicht mitzukommen«, sage ich. »Das betrifft ihn ja nicht.«
»Ich mache, was Alex möchte«, sagt er, »andere Pläne habe ich momentan nicht.«
»Weiß er, was wir vorhaben?«
»Ja«, antwortet Alex. »Er weiß alles.«
Eine unerwartete Eifersucht steigt in mir hoch.
»Ich finde aber, es ist eine Familienangelegenheit«, sage ich. »Die ganze nächste Woche - oder je nachdem, länger oder kürzer - ist eine Familienangelegenheit.«
»Dad! Ich habe dir doch gesagt, dass Sid die ganze Zeit hierbleibt. Akzeptier das einfach, okay? Ich bin erträglicher, wenn er da ist, glaub mir.«
Sid breitet die Arme aus und zuckt die Achseln. »Was soll ich da sagen?«
Ich sehe Alex an, in der Hoffnung, dass sie meine Enttäuschung spürt.
»Musst du nicht in die Schule?«, frage ich Sid.
»Ich muss in die Schule, wenn ich Lust dazu habe«, entgegnet er.
»Na gut. Holt Scottie. Wir gehen.«
Scottie sitzt auf dem Beifahrersitz, Alex und Sid hinten. So still ist Scottie sonst nie. Mir fällt auf, dass sie ihre Kamera und ihr Notizbuch zu Hause gelassen hat.
»Ihr kennt doch E.T., oder?«, fragt Sid. »Erinnert ihr euch an E.T.?«
Ich schaue in den Rückspiegel, weil ich keine Ahnung habe, mit wem er eigentlich redet. Seine Wangen sind stoppelig und seine Augen dunkelblau. Er sieht aus dem Fenster und spricht niemanden direkt an.
»Was wollten die Außerirdischen hier?«, fragt er. »Warum sind die E.T.s überhaupt auf die Erde gekommen?«
»Hört ihm am besten gar nicht zu«, sagt Alex. »So ist er, wenn er Auto fahren muss.Wie der bekiffte Jerry Seinfeld aus dem Fernsehen.«
»Wer ist E.T.?«, fragt Scottie.
»Weiß ich nicht.« Ich habe keine Lust, es ihr zu erklären. Ich biege in die Lanikai Avenue und sehe Racers Haus. Racer ist ein guter Freund von uns, vor allem von mir, aber in letzter Zeit auch nicht mehr so richtig. Ich muss einen Umweg machen, weil er in einer Einbahnstraße wohnt. Am liebsten würde ich in die falsche Richtung fahren, weil die Straße völlig menschenleer ist, aber dann lasse ich es lieber bleiben. Ich mag diese stille Straße mit dem weißen Sand auf den Gehwegen, den der Wind herbeiweht. Der Eindruck von Verlassenheit gibt mir das Gefühl, irgendetwas überlebt zu haben.
»Es könnte doch sein, dass E.T. auf seinem Planeten der Obertrottel war«, sagt Sid. »Wenn zum Beispiel alle Erdlinge zu einem anderen Planeten reisen würden und nur Al Bundy und Don Johnson blieben zurück - da bekämen die Außerirdischen einen total falschen Eindruck von uns.«
»Faszinierend.« Ich biege in die Einfahrt. »Ihr Philosophen bleibt bitte alle im Auto. Ich bin gleich wieder da.«
Ich gehe ums Haus herum zur Hintertür und erschrecke, als ich Racer auf der kleinen betonierten Terrasse sitzen sehe. Er hockt da im Bademantel, hält eine Tasse mit dampfendem Kaffee zwischen den Händen und starrt hinaus auf den Strand, auf die Ebbe und die kleinen
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