Mit deinen Augen
glücklich mit uns. Aber dann sollten wir versuchen, sie wenigstens jetzt glücklich zu machen. Denk an die schönen Dinge. An die schönen Momente. Und ich möchte nicht, dass du so etwas vor Scottie sagst. Du darfst Scotties Bild nicht kaputt machen.«
»Wie kannst du nur so ruhig sein, so versöhnlich?«, fragt Alex. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Ich möchte ihr nicht sagen, dass ich wütend und verletzt bin mich dieser Gefühle Joanie gegenüber schäme.Wie kann ich meiner Frau verzeihen, dass sie einen anderen geliebt hat? Ich denke an Brian. Ich habe mir noch gar nicht überlegt, wie er mit der Situation fertig wird. Er kann sie nicht besuchen. Er kann nicht mit ihr sprechen. Er kann nicht richtig trauern. Ich wüsste gern, ob Joanie ihn in ihrem Koma vermisst. Ob sie lieber ihn bei sich hätte als uns.
»Ich kann später wütend sein«, sage ich. »Ich möchte sie einfach nur verstehen, glaube ich.«
Wir blicken beide zu Joanie.
»Sag was Nettes«, sage ich.
»Ich wollte immer so sein wie du«, sagt Alex zu ihrer Mutter. Dann schüttelt sie den Kopf. »Ich bin wie du. Ich bin genau wie du.« So wie sie das sagt, klingt es, als wäre ihr dieser Gedanke gerade erst gekommen. »Das kam so dramatisch raus. Irgendwie falsch.«
»Nein«, sage ich. »Das war okay. Du bist wie sie, und das ist auch gut so.«
»Das andere weiß sie doch alles«, sagt sie. »Sie weiß, dass ich sie liebe. Ich will ihr nur Sachen sagen, die sie noch nicht weiß.«
»Das andere weiß sie auch alles. Du brauchst ihr das nicht mehr zu sagen.«
»Ich hab gehört, du hast einen Klaps bekommen.« Sid kommt ins Zimmer, mit Scottie im Schlepptau. Sie ist total vernarrt in ihn. Den ganzen Morgen hat sie ihm immer wieder die Mütze vom Kopf gerissen und ist dann kreischend davongelaufen, wenn er sie fangen wollte. Sie ahmt nicht mehr mich nach, sondern Sid.
»Hallo, Joanie«, sagt er und tritt ans Bett. »Ich bin Sid, Alex’ Freund. Ich hab schon viel von Ihnen gehört. Sie sind ziemlich hart im Nehmen, glaube ich, deshalb kommen Sie bestimmt wieder auf die Beine. Klar, ich bin kein Arzt, aber das würde ich denken.«
Ich sehe, wie Alex und Scottie ihn anlächeln, und am liebsten würde ich schreien: Das stimmt doch gar nicht! Sie wird nicht durchkommen!
»Ich wohne bei Ihnen, damit ich Alex ein bisschen helfen kann. Sie redet mit mir darüber. Ich stehe ihr bei.«
Alex wirkt ruhiger. Sie geht zum Kopfende des Bettes und streichelt Joanies Wange. Scottie drückt sich an mich und starrt auf Alex’ Hand, wie sie das Gesicht ihrer Mutter berührt.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Ehemann schließt mich nachts ein. Er passt gut auf. Und Ihr Dad hat’ne schnelle Faust. Hier, sehen Sie?« Er dreht Joanie seine rechte Gesichtshälfte zu. »Wow«, sagt er, »Sie sind echt schön.«
Scottie stellt sich neben Sid. Im Zimmer ist es eine Weile still, während Sid vor meiner Frau steht und ihr Gesicht betrachtet. Ich räuspere mich; er tritt ans Fenster und hebt den Vorhang. »Schönes Wetter heute«, sagt er. »Kein Wölkchen am Himmel. Nicht zu heiß.«
Fast erwarte ich, dass meine Frau reagiert. Sid würde ihr gefallen, da bin ich mir sicher.
»Ich hab gerade eine SMS von Reina bekommen!«, ruft Scottie. »Sie ist hier. Im Krankenhaus.«
»Verdammt, Scottie, ich habe Nein gesagt. Keine Reina.«
»Du hast gesagt, sie kann am Donnerstag kommen, und heute ist Donnerstag. Ich brauche sie. Und ich möchte echt gerne, dass sie Mom kennenlernt, okay? Und Sid - Reina findet ihn garantiert cool. Und Alex soll sie auch kennenlernen.«
»Und was ist mit mir?«
»Dich soll sie natürlich auch kennenlernen.«
»Aber ich finde es nicht richtig.« Als ich ihr gesagt habe, dass Reina kommen kann, wusste ich noch nicht, dass meine Frau sterben würde.
»Aber Dad! Alex hat Sid.«
»Gut, meinetwegen.« Ich will mich nicht mit ihr streiten. Eigentlich will ich gar nicht darüber reden. »Wenn du das brauchst, soll’s mir recht sein.« Mir ist alles recht, was irgendwie hilft. Scottie rennt hinaus auf den Flur.
»Na toll«, seufze ich. »Seid ihr bereit?«
Gleich darauf erscheint Reina in der Tür. Scottie steht hinter ihr, um sie uns vorzustellen. Reina blickt sich um, als wäre das Zimmer schmutzig.
»Dad, das ist Reina. Reina, das ist meine Schwester, das ist Sid, und auf dem Bett, das ist meine Mom.«
Reina streckt die Hand vor und wackelt mit den Fingern. Sie trägt einen Tennisrock aus Frotteestoff und ein
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