Mit deinen Augen
hinterher: »Bleibt bitte in der Sicherheitszone.« Sie brechen beide durch eine kleinere Welle und lassen sich dann wie Vögel darauf nieder, dümpeln und lassen sich treiben. Die Frau geht näher zum Wasser, was günstig ist, denn nun steht sie unterhalb von uns, und ich kann sie ungehindert beobachten. Sie nimmt ihre Taschen von der Schulter und zieht aus einer ein Handtuch. Mit einer geschickten Bewegung lässt sie es durch die Luft flattern, sodass es sanft auf dem Sand landet. Sie hat ein durchsichtiges grünes Tuch um den Badeanzug gewickelt; sie lässt es an, setzt sich auf ihr Handtuch und holt ein Buch aus der Tasche. Es ist dick und gebunden.
Wie gebannt folgen die beiden Mädchen ihren Bewegungen. Ich frage mich, ob sie die Frau mit ihrer Mutter vergleichen oder ob sie sich für sie interessieren, weil sie so elegant ist. Ich schaue, ob ihr Mann auch kommt, sehe aber nur einen Kerl auf einem Aufsitzmäher und ein paar einheimische Kinder, die mit Angelruten über den Rasen rennen.
Die beiden Söhne reiten bäuchlings auf den Wellen. Zwischendurch hebt die Frau immer wieder den Blick, um nach ihnen zu sehen, und markiert dabei mit dem Finger ihre Stelle im Buch.
»Wollt ihr nicht schwimmen gehen, ihr drei?«, sage ich.
»Kommst du mit mir rein?«, fragt Scottie.
Eigentlich habe ich keine Lust, aber in Hörweite der Frau will ich nicht Nein sagen.
»Klar!«, sage ich übereifrig. »Du auch, Alex?«
Alex setzt sich auf. Ich weiß nie, wann ich auf Widerstand stoße. Sobald ich glaube, dass ich bei den Mädchen ein Muster erkannt habe - Spaß, Nähe, Streit, Ärger, Wiederannäherung -, ändern sie die Reihenfolge.
»Sid? Kommst du mit?« Ich komme mir verlogen vor, als würde ich ihn verhätscheln. Auf einmal verdient er meine Zuwendung, weil sein Vater tot ist.
»Na, dann mal los.« Mit einem Satz ist er auf den Beinen, rennt ins Wasser, stapft durch die Wellen und taucht ab. Eine Weile ist nichts von ihm zu sehen, und ich gebe es schließlich auf, darauf zu warten, dass er wieder auftaucht.
Die Mädchen und ich schlendern zum Meer, und ich lasse mich langsam ins Wasser gleiten.
»Schnapp dir die da, Steven«, sagt der ältere Bruder zum jüngeren. Der Jüngere sieht sich nach der Welle um, die sich hinter ihm auftürmt. »Jetzt!«
Wir tauchen alle unter der Welle durch, und ich schaue zum Strand, ob der Junge die Welle erwischt hat. Ich sehe ihn in einiger Entfernung. Die Welle hat ihn ans Ufer getragen.
»Das war genial«, schreit er.
Der ältere Bruder schreit zurück: »Sag ich doch.«
Er würdigt Scottie keines Blickes, sondern wartet nur auf die nächste Welle, legt ein paar Fehlstarts hin und haut frustriert mit der Hand aufs Wasser. Blöder kleiner Angeber.
Ich merke, dass die Mutter uns über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg beobachtet. Alex und Sid sind jenseits der Brandungszone. Sie schwimmen zur grünen Badeinsel. Scottie nähert sich den Jungs und reiht sich ein, um eine Welle zu erwischen.
»Die ist reserviert!«, ruft der ältere Junge ihr zu. »Los, Steven. Die da gehört dir. Los! Los!«
Steven scheint überfordert. Er ist außer Atem, und die ständigen Befehle bringen ihn durcheinander. Er beäugt Scottie, hebt ab und klatscht aufs Wasser, aber die Welle packt ihn von unten, und er landet auf dem Rücken.
»Du bist im Weg«, blafft der ältere Bruder Scottie an. »Such dir einen eigenen Platz.«
Scottie wirft ihm einen irritierten Blick zu, als wüsste sie nicht recht, ob der Junge einen Witz gemacht hat oder nicht.
»Das hier ist ein Ozean, Freundchen«, sage ich. »Der ist doch wohl groß genug für alle.«
»Ich war auch gar nicht im Weg«, sagt Scottie. »Er ist nur nicht schnell genug geschwommen.«
Was sagst du dazu, du kleiner Kläffer? Ich starre ihn an, und er gibt auf, vielleicht, weil seine Mutter ins Wasser kommt. Ich mildere meinen Blick und lächle dem Jungen zu. »Da kommt eine Welle, auf der dein Name steht«, rufe ich. »Schnapp sie dir!«
Die Mutter nickt mir zu. Ihr Badeanzug ist dezent geschnitten, und sie hat ihren Sonnenhut noch auf. Er verdeckt ihr Gesicht, sodass ich nur ihren Körper ins Wasser eintauchen sehe. Ihre kupferfarbenen Haare breiten sich wie ein Umhang hinter ihr aus, während sie auf die Jungen zugleitet. Scottie ist fasziniert. Joanie wäre mit einem String-Tanga ins Wasser gerannt und hätte sich aufgeführt wie der ältere Junge, aus allem hätte sie einen Wettkampf gemacht, jeden hätte sie angetrieben, los, los,
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