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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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ist mir das scheißegal.Was ist schon dabei, wenn einer vom Sprungbrett springt?
    MeineTöchter sind total versaut, möchte ich sagen. Die eine redet obszönes Zeug mit ihrem Spiegelbild. Haben Sie so was auch gemacht, als Sie klein waren?
    »Ihre Mädchen machen einen sehr sympathischen Eindruck«, sagt sie. »Wie alt sind sie?«
    »Zehn und achtzehn. Und Ihre Kinder?«
    »Zehn und zwölf.«
    »Oh«, sage ich. »Gutes Alter.«
    »Ihre Kleine ist sehr komisch«, sagt sie. »Ich meine - nicht komisch . Unterhaltsam, witzig.«
    »Das können Sie laut sagen. Sie ist wirklich eine Nummer für sich.«
    Wir schweigen beide eine Weile und sehen Scottie zu, die im Sand sitzt und sich von den Wellen herumwerfen lässt.
    »Eigentlich«, sage ich, »sind sie beide ein bisschen traurig. Ihre Mutter liegt im Krankenhaus.« Ich spüre, wie unangenehm das Mrs. Speer ist. »Es ist nichts Schlimmes«, fahre ich nach ihrem obligatorischen »Oh nein!« fort. »Aber die beiden sind natürlich beunruhigt. Das ist alles.«
    »Ja, natürlich«, sagt sie. »Das ist sicher nicht leicht. Was fehlt Ihrer Frau? Falls Sie diese Frage nicht indiskret finden.«
    »Sie hatte einen Bootsunfall.« Ich beobachte ihr Gesicht genau, weil ich wissen will, ob es irgendetwas bei ihr auslöst.
    »Oh, das tut mir leid«, sagt sie. »Beim Segeln? Oder war es ein Boot mit Motor?«
    Ich lache, und ihr Hals wird ganz rot. »Eins mit Motor«, sage ich.
    »Sorry, ich kenne mich da nicht so gut aus …«
    »Nein, nein, ich lache nur, weil es so bezaubernd klang. Sie sind bezaubernd.«
    Sie legt sich die Hand unten an den Hals. Ich glaube, näher als jetzt war ich noch nie daran, Joanie zu betrügen oder mich an ihr zu rächen. Wenn Joanie in einen anderen verliebt war, warum hat sie mir dann nichts gesagt? Wollte sie wirklich abwarten, bis ich meine Anteile verkauft habe, bevor sie die Scheidung einreicht? Ich hoffe, so kalt und berechnend war sie nicht. Und ich bin froh, dass ich das wahrscheinlich nie erfahren werde. Durch ihr Schweigen ermöglich sie es mir, sie zu der Frau zu machen, die ich will.
    Mrs. Speer schaut hinaus aufs Meer. Ich auch.
    »Gestern haben wir hier John Cusack gesehen«, sagt sie, »und Neve Campbell. Sie haben gesurft.«
    »Na, so was«, sage ich. »Und wer sind die beiden?«
    »Filmschauspieler«, sagt sie. »Hollywood. Sie sind - na ja - Stars.«
    »Ach so«, sage ich. »Ja, von denen gibt es hier eine ganze Menge. In welchen Filmen spielen sie mit?«
    »Keine Ahnung. So auf Anhieb fällt mir keiner ein.«
    »Interessant«, sage ich.
    »Unsinn. Über Stars zu reden, ist doch bescheuert.«
    »Nein, nein«, sage ich, »es ist faszinierend.«
    Ich sehe sie ermunternd an. Sie beißt sich auf den Daumen, senkt den Blick, schaut dann zu mir hoch und sagt grinsend: »Ich glaube, es gibt nichts, was Sie weniger interessiert.«
    Ich lache. »Sie haben recht. Das heißt - nein, Sie haben nicht recht. Es interessiert mich! Ich kann Stars nicht ausstehen. Ich finde es unmöglich, dass wir ihnen so viel Geld geben. Und dann diese Preisverleihungen, du lieber Gott. Die sind doch total absurd.«
    »Stimmt. Ich weiß genau, was Sie meinen. Aber mir gefällt’s.«
    »Sie kaufen doch nicht etwa auch noch solche Zeitschriften, oder?«
    »Doch, natürlich!«
    »Oh nein«, sage ich und grinse. Ich presse die Hand gegen die Stirn, und dann sehe ich Scottie auf uns zulaufen. Schlagartig wird mir bewusst, dass ich einen Moment lang vergessen habe, wer da neben mir sitzt. Sie ist Brians Frau! Sie ist keine Freundin von mir. Ich sollte jetzt nicht lachen oder sonst irgendwie das Leben genießen.
    »Ihr Hut!«, ruft Scottie. »Ich hab ihn gefunden.« Sie hält den Hut mit der breiten, schlappen Krempe hoch. Er ist nass und sieht aus wie ein Stück Seetang, als Scottie ihn auswringt.
    »Vielen Dank«, sagt Mrs. Speer und nimmt ihn entgegen.
    Scottie mustert sie schüchtern, als würde sie eine Belohnung erwarten. »Möchten Sie Ihr Handtuch?«, fragt sie. »Sie haben Gänsehaut.«
    Ich blicke an Mrs. Speers Beinen hinunter und sehe tatsächlich lauter kleine Punkte.
    »Stimmt - ein Handtuch wäre nicht schlecht«, sagt sie.
    »Ich hole es Ihnen.« Scottie rennt zu Mrs. Speers Tasche, und ich schaue sie entschuldigend an, aber sie wirkt ganz entspannt. Sie geht ein Stück nach oben, zu dem warmen, trockenen Sand, und setzt sich hin. Ich folge ihrem Beispiel, lasse den Sand durch die Finger rieseln und betrachte die Gänsehaut an ihren Beinen.
    Scottie kommt zurück

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