Mit dem Feuer gespielt
überwältigt. Er rief mich an dem Tag an, als er sie kennengelernt hatte. Ich habe ihn noch nie so aufgeregt gehört. Drei Wochen später waren sie Mann und Frau."
Izzy klappte den Ordner zu. "Und vier Monate später, nach diesem...."
"Ja." Harry schüttelte traurig den Kopf.
"Was ist passiert? Ich weiß nur, daß es ein Skiunfall war."
"Hast du je etwas vom Wolf Peak in Colorado gehört?"
Sie verneinte.
"Ernsthafte Skifahrer kennen es. Es ist eine berüchtigte, extrem steile Abfahrt. Sie wird auch die "Suicide Chute" - die Selbstmordpiste genannt, weil die Lawinengefahr dort extrem hoch ist. Die kleinste Erschütterung kann in Sekundenschnelle eine gewaltige Lawine auslösen."
"Judith starb in einer Lawine?"
"Technisch gesehen, nein. Sie vollführte einige kunstvolle Ausweichmanöver, und es gelang ihr auch, der Lawine zu entkommen. Doch dann stieß sie gegen einen Felsvorsprung und brach sich das Genick."
"Oh."
"Clay fand sie."
"O Gott."
Er beugte sich vor und rieb sich das Kinn. "Er war wie von Sinnen. Judith bedeutete ihm alles."
"Obwohl er sie erst so kurze Zeit kannte?"
"Du mußt das verstehen, sie war sozusagen seine emotionale Rettungsleine. Seine Eltern waren nicht besonders herzlich und liebevoll."
"Das habe ich auch schon erfahren. Wußtest du, daß sie ihm niemals einen Geburtstagskuchen geschenkt haben?"
Er verzog angewidert das Gesicht. "Das überrascht mich nicht. Übrigens hat er nächsten Monat Geburtstag - am Valentinstag."
"Stimmt. Wir sollten uns etwas ganz Besonderes für ihn ausdenken."
"Gute Idee." Er deutete auf die Ordner auf ihrem Schoß.
"Welche Bilder wirst du verwenden?"
"Wie? Oh, ach so. Die Skifotos wahrscheinlich." Sie legte die anderen beiseite und preßte die betreffende Mappe an die Brust.
"Was weißt du sonst noch über seine Kindheit?"
"Daß seine Mutter zurück in die Schweiz ging, als er elf war.
Drei Jahre später zog sein Vater nach Genf und ließ ihn allein in einem lächerlich großen Apartment. Er hatte uns und seinen Großvater, aber niemanden, der je näher an ihn herangekommen wäre. Bis Judith kam."
Izzy nickte.
"Sie hat ihn verändert", berichtete Harry weiter. "Zum Besseren. Er lernte, sich zu öffnen. Nach ihrem plötzlichen Tod verlor er diese Fähigkeit wieder."
"Du meinst, er hat sich emotional abgekapselt?"
"Das auch, im weitesten Sinne. Nein, ich meinte, er hat es verloren. Er wurde verrückt, drehte völlig durch. Ich habe noch nie jemanden so leiden sehen. Du hast sicher davon gehört, was er tat? Am Wolf Peak?"
Izzy schüttelte den Kopf.
"Man hatte die Selbstmordpiste gleich nach Judiths Tod gesperrt", erklärte Harry. "Sie war das achtzehnte Lawinenopfer in jenem Jahr in Colorado, und es wurde Druck ausgeübt, die gefährlichsten Pisten für die Öffentlichkeit zu sperren. Also stellte man große orangefarbene Warnschilder auf."
"Und Clay hat sich über die Sperre hinweggesetzt?"
Harry nickte ernst. "Er brach das Tor auf und fuhr die Piste hinunter."
"Weshalb?"
"Weil Judith sie immer hatte bezwingen wollen. Es hatte ihr viel bedeutet. Deshalb beschloß er, sie für Judith zu bezwingen."
"Die Strafe war ihm ega l?" wollte Izzy wissen.
"Sein Leben war ihm egal. Er fuhr die Piste direkt nach einem Schneesturm, als die Lawinengefahr am größten war. Er wußte es, aber er tat es trotzdem."
"Gab es eine Lawine?"
"Nein, aber das war pures Glück. Die Piste ist berüchtigt für ihre Lawinen. Wenn du mich fragst, war es ein Wunder, daß er es überlebt hat;"
"Bekam er Ärger?"
"Ja, er mußte eine Strafe von tausend Dollar zahlen."
Izzy fühlte sich benommen. "Aber heute ist er nicht mehr so verantwortungslos, oder?"
"Es hat sich schon gebessert", beruhigte Harry sie. "Aber für meine Begriffe geht er noch immer zu viele Risiken ein."
"Das finde ich auch."
Harry musterte sie. "Du liebst ihn sehr, nicht wahr?"
Izzy war erschrocken. "Ich ... natürlich bedeutet er mir etwas
..."
"Ach komm schon, es steht dir förmlich ins Gesicht geschrieben."
"Nein!"
Harry legte sich lachend auf den Boden. "Du glaubst, du kannst es verbergen, wie? Clay glaubt auch, er sei cool, aber ich durchschaue ihn. Du bedeutest ihm mindestens soviel wie Judith, sogar noch mehr. Du hast ihn ebenfalls verändert. Er ist bis über beide Ohren verliebt, und er kämpft mit aller Macht dagegen an."
"Du interpretierst das falsch, Harry."
Harry lachte spöttisch. "Ich irre mich nicht bei Menschen. Ich weiß, was ich weiß." Sie wollte widersprechen, doch
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