Mit dem Kühlschrank durch Irland
gaben. Es war erst elf Uhr dreißig, und sie waren schon ziemlich betrunken. Dabei ist es doch das Wichtigste, die Sache mit kontrollierter Geschwindigkeit anzugehen. Die Frau las ein beeindruckend dickes Buch. Ich konnte den Titel nicht sehen, aber das Kapitel, bei dem sie gerade war, hieß »Herrschaft und Hegemonie«. Ich schloss daraus, dass sie entweder Akademikerin oder Sado-Masochistin war. Ich machte die Augen zu und ließ mich vom sanften Säuseln der Sicherheitsunterweisung einlullen. Aber schon bald wurde ich von der Herrenrunde geweckt, die ein Lied angestimmt hatte. Ich wollte aufstehen, mich umdrehen und »Bitte hören Sie doch damit auf!«, sagen, aber das musste ich nicht, denn die Dame an meiner Seite hatte bereits ungefähr diese Worte geäußert, nur in einem weniger höflichen Ton. Selbstverständlich erzielte sie damit genau den gegenteiligen Effekt und sorgte dafür, dass die Lieder noch lauter wurden und ihr zu Ehren auf ihre Person umgemünzt wurden. Plötzlich fand ich das Ganze ziemlich unterhaltsam. Die Texte wurden jetzt witziger, da sie sich auf eine konkrete Person bezogen, und das wachsende Unbehagen der Frau hatte eine tröstliche Wirkung.
Ich ignorierte das Durcheinander um mich herum und begann, meine Karte von Irland zu studieren. Ich wusste sehr wenig über die Insel und hatte keine richtige Vorstellung von den Entfernungen, aber mein Hirn war der anstrengenden Aufgabe nicht gewachsen, diese jetzt zu addieren. Ich überlegte ein wenig, welche Strecke ich an meinem ersten Tag bewältigen könnte. Ich hatte vor, Dublin mit einem Bus in Richtung Cavan zu verlassen und mit dem Trampen ungefähr in der Gegend zu beginnen, in der ich, wenn mich nicht alles trog, vor vielen Jahren den ursprünglichen »Fridge Man« gesehen hatte. Das war irgendwo in der Nähe von Navan gewesen, entschied ich. Ich schaute aus dem Fenster. Es regnete. Darin ist Irland gut. Um mich aufzuheitern, suchte ich die Karte nach Orten mit dämlichen Namen ab. Ich entdeckte Nobber und einen Ort namens Muff.
Das Flugzeug setzte auf. Die Odyssee hatte begonnen.
3
Dieser Bus fährt nach Cavan
Shane muss ein sehr guter Freund von Seamus sein. Ich kann mir gut vorstellen, was für ein Gesicht er machte, als er den Anruf erhielt.
»Oh, hallo Shane, hier ist Seamus. Könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Klar.«
Und schon hatte er seinen ersten Fehler begangen, denn er hatte nicht erst mal herauszufinden versucht, worin der Gefallen bestehen würde.
»Ein alter Freund von mir, Tony, will mit einem Kühlschrank rund um Irland trampen.«
»Hmmmmmmm.«
»Könntest du einen kleinen Kühlschrank mit einem passenden Wägelchen kaufen und ihn am Dubliner Flughafen abholen? Er gibt dir das Geld, wenn er ankommt.«
»Äh...«
»Gut, großartig... Ich ruf dich Freitag noch wegen der Flugdaten an.«
Und da stand er dann am Flughafen, der Mann, der mit der Aufgabe betraut worden war, einen Reisebegleiter zu kaufen — eine Tätigkeit, die man normalerweise eher mit Bangkok als mit Dublin assoziiert. Obwohl wir einander noch nie begegnet waren, erkannten wir uns sofort. Er muss an meinen Augen die schrecklichen Vorahnungen abgelesen haben, und ich sah das Entsetzen in den seinen. Er begrüßte mich ziemlich herzlich, und wir machten uns auf den Weg zu seinem Auto. Dort habe er den Kühlschrank, erklärte er mir, denn er vermutete richtig, dass dieser meine Hauptsorge war.
Ich war ziemlich nervös vor dieser ersten Begegnung mit ihm. Shane hatte detaillierte Anweisungen erhalten, und er wirkte ausreichend intelligent, aber was, wenn er trotzdem die falsche Sorte Kühlschrank gekauft hatte? Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass es ein Fehler gewesen war, die Verantwortung für den Erwerb meines wichtigsten Gepäckstücks zu delegieren. Schließlich wusste ich, nachdem mich ein Experte wie Darren auf diesem Gebiet unterwiesen hatte, sehr viel über Kühlschränke. Aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, denn es war Sonntag und damit kein guter Tag, um Kühlschränke zu kaufen, und ich wollte am nächsten Morgen aufbrechen. Es war fast wie bei einem neuen Job: am Montag in aller Frühe anfangen, geschniegelt und voll Eifer.
Wir erklommen die Treppe in dem überraschend geruchsfreien Parkhaus. Ich merkte, dass Shane ein zurückhaltender Mensch war, aber ich vermute, dass er heute besonders schweigsam war, weil er in Gedanken damit beschäftigt war, die Größe des Gefallens auszurechnen, den Seamus ihm jetzt
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