Mit dem Teufel im Bunde
unseren Mietkontrakt unterzeichnet, den van Keupens gehört dieses Haus. Wie konnten sie das Feuer nur so schnell löschen?», überlegte Rosina. «Wenn erst die Vorhänge brennen …»
«Da wird jetzt einer ’ne dicke Brandblase an den Händen haben, Madam. Habt Ihr’s nicht gesehen? Jemand hat sie runtergerissen. Und das Wasser», erklärte Pauline, die sich im Katharinenkirchspiel auskannte wie in ihrem Küchenschrank, «das war reines Glück. Bei den van Keupens steht die große Wäsche an, in der Diele warteten schon Wannen und Eimer bis zum Rand voll Wasser. Als hätten sie’s geahnt. Ohne das wäre es übel ausgegangen.» Sie kreuzte schaudernd die Arme vor der Brust. «Daran will ich lieber nicht denken. Ihr solltet wieder zu Bett gehen, Madam. Ihr seid blass wie Spucke, das seh ich sogar im Dunkeln. Andererseits», sie tastete nach dem Wolltuch am Fußende des Bettes und legte es ihrer Herrin fürsorglich um die hochgezogenen Schultern, «anderseits ist dies der richtige Anlass zu probieren, ob mein Quittenwein gelungen ist. Wenn es Euch nicht geniert und der Anblick der Glut des Herdfeuers Euch nicht erschreckt, kommt mit in die Küche. Da ist es warm.»
Der Wein war herb, aber aromatisch und nach den Schrecken der Nacht ein tröstendes Elixier. Fast so tröstlich wie Paulines robuste Gegenwart. Die wenigen verbleibenden Stunden bis zum Morgen schlief Rosina tief und friedvoll, ein Kissen, das wie Magnus’ Hemden sanft nach Lavendel duftete, fest im Arm.
***
DIENSTAGMORGEN, SEHR FRÜH
Sibylla van Keupen war trotz ihres Alters bekannt für die Frische ihres Aussehens, selbst ihr Gesinde hatte sie nie anders als makellos gekleidet gesehen. Als sie an diesem Morgen im Spiegel an der Wand zwischen den Türen zu Salon und Spielzimmer ihrem Gesicht begegnete, war sie bis in die Lippen grau von Blässe, ihr Haar unfrisiert und notdürftig von einer wenig kleidsamen Leinenhaube bedeckt, ihr Hauskleid zerknittert. Sie tastete behutsam über ihre linke Hand, aus der tiefen Rötung wuchs eine wässerige Blase. Sie seufzte nicht, sie straffte die Schultern und ging mit festem Schritt die Treppe hinunter. Im Salon würde trotz der frühen Stunde ein Frühstück bereitstehen. Doch dafür gönnte sie sich nun keine Zeit. Noch nicht.
Sie stieß die Tür zu den Kontorräumen auf, der klebrigbeißende Geruch von Verbranntem empfing sie, und ging zur hinteren, durch eine verglaste Holzwand abgetrennten Stube. Nun entfuhr ihr doch ein Seufzer. Sie sollte Gott danken, dass das Feuer so rasch entdeckt und gelöscht worden war. Daran würde sie später denken, jetzt war sie nicht bereit, Dankbarkeit zu empfinden. Ein Geräusch ließ sie den Fluch verschlucken, der ihr auf den Lippen gelegen hatte. Der große Lehnstuhl bewegte sich, und eine schmale Gestalt im beschmutzten dunklen Rock rappelte sich hinter dem Tisch auf die Füße.
«John? Was tust du hier?»
John Wessing, der ältere ihrer beiden Handelslehrlinge, beugte den hochroten Kopf zum Gruß und rieb die schmutzige linke Hand über Rock und Stirn.
«Verzeiht, Madam, weil ich sowieso nicht mehr geschlafen habe und weil es jetzt hell wird, da wollte ich sehen, ob alle Akten verbrannt sind. Oder vom Wasser durchweicht,ja. Ob ich noch was retten kann. Tatsächlich ist ziemlich wenig verbrannt», erklärte er eifrig, «das Aktenregal hatte das Feuer zum Glück noch nicht entzündet. Wenn das auch gebrannt hätte! Aber das Wasser. Ein Teil der Schriftstücke ist nass und verdorben. Ja, nur ein Teil.»
«So, retten wolltest du sie», unterbrach sie ihn. «Das ist fürsorglich gedacht, John. Allerdings gilt auch heute, was immer gilt: Sind die Akten erst in meinem Kontor, gehen sie nur noch mich und vielleicht Monsieur Bergstedt an. Nicht die anderen Schreiber und gewiss nicht die Lehrlinge.»
«Ja, Madam, das weiß ich. Es ist nur, ich habe gestern, als ich mit meiner Arbeit fertig war, die neuen Abschriften hier auf Euren Tisch gelegt. Ich dachte, dann findet Ihr sie gleich, falls Ihr vor mir, ich meine vor uns allen im Kontor seid, wie es ja oft vorkommt. Ich wollte gewiss nicht indiskret oder despektierlich sein. Ganz gewiss nicht, Madam.»
Sibyllas strenge Miene wurde weicher. «Natürlich nicht, das bist du nie. Die vergangene Nacht hat mich ungeduldig gemacht. Heißt das, du bist mit deiner Arbeit fertig geworden? Und hast mir die Briefe und Listen hier bereitgelegt? Wenn das so ist», fuhr sie fort, als der Junge mit verzagtem Gesicht nickte, «hast du
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