Mit dem Teufel im Bunde
mit Ausschlag bedeckt. Glaubt Ihr wirklich, es könnte ihm als einzigem Kind in einem ordentlichen, wenn Ihr so wollt: reputierlichen Haushalt schlechter ergehen als einem von so vielen in diesem Haus?»
Zacher hörte den scharfen Ton und hielt nun keinerlei Rücksicht mehr für angebracht. Die Dame beleidigte ihn und das ganze Waisenhaus.
«Einem von vielen, jawohl! Und alle gut aufgehoben. Alle. In christlicher Obhut, ohne Gefahr für ihr Seelenheil. Für wie leichtfertig haltet Ihr mich? Ihr seid fremd in der Stadt, Madam, und ich weiß nicht, was der Beruf Eures Gatten ist, aber genau, was Eurer war. Wollt Ihr einen Akrobaten aus ihm machen? Einen Hanswurst? Einen, der tanzt und trällert wie ein loses Weib und allerlei Zauberwerk treibt? Denkt Ihr, wenn Ihr auf das Kostgeld verzichtet, bleiben auch die Kontrollen aus? Dann werde sich niemand mehr um das Wohlergehen des Jungen kümmern?»
«Guten Morgen!» In der Hitze ihres Gefechts hatten weder Rosina noch der Schreiber das Öffnen der Tür bemerkt. Madam Augusta Kjellerup stand im Raum, ein wohlwollendes Lächeln im rosigen Gesicht, selbst Rosina übersah im Zorn den Unmut in ihren Augen.
«Guten Morgen, lieber Zacher», fuhr die alte Dame fort. «Da habt Ihr ja ganz reizenden Besuch, meine junge Freundin Madam Vinstedt.» Sie ließ sich von Zacher, der, so hastig es seine alten Knochen erlaubten, aufgesprungen war und sich tief verbeugt hatte, einen Stuhl heranziehen.
«Wie schön, Euch wieder einmal zu sehen, Rosina», sagte Madam Augusta und setzte sich. «Ihr müsst unbedingt am Sonntag zu uns in den Garten kommen, gleich nach dem Gottesdienst, den Ihr am Tag des Herrn ja niemalsversäumt», fügte sie mit einem Seitenblick auf Zacher hinzu, der unruhig neben seinem Tisch stand, von einer zur anderen sah und nicht wusste, was er denken sollte und ob er sich setzen durfte.
«So nehmt doch wieder Platz, lieber Zacher», säuselte Madam Augusta, «in unseren Jahren heißt es Kräfte sparen, nicht wahr? Vor allem so früh am Tag. Leider kann ich mich nicht lange aufhalten, mein Wagen wartet vor der Tür, und ich fürchte, er versperrt die Straße. Mamsell Elsbeth lässt grüßen, Monsieur Zacher, sie beglückwünscht Euch zu dem guten neuen Kostplatz für einen der Jungen bei Madam Vinstedt. Sie wäre gerne selbst gekommen, aber Ihr wisst ja, sie ist immer so emsig. Da ich sowieso auf dem Weg zu Euch war … sind die Papiere schon unterzeichnet? Wenn alles geregelt ist, möchte ich Madam Vinstedt in meinem Wagen mitnehmen, die Frau meines Neffen erwartet uns zu einem Frühstück. Das werdet Ihr doch nicht vergessen haben, Rosina?»
Sie drohte schelmisch mit dem Finger, eine Geste, die sie für geziertes Getue hielt, hier aber passend fand.
«O ja, das Frühstück.» Anne Herrmanns war Rosinas vertrauteste und älteste Freundin in dieser Stadt, sie vergaß nie eine Verabredung mit ihr, trotzdem hatte sie keine Ahnung, wovon Madam Augusta sprach. «Ich fürchte, Anne wird warten müssen. Meine Unterredung mit Monsieur Zacher nimmt mehr Zeit in Anspruch, als ich dachte. Er sorgt sich um meine Respektabilität. Was nur verständlich ist», fuhr sie grimmig fort, «ich lebe noch nicht lange hier, und es geht um das Seelenheil eines Kindes. Im Übrigen darf ich als Frau die Papiere nicht unterzeichnen.»
«Ach, ist das so?» Augusta blickte mit plötzlicher Strenge den unruhig die Hände knetenden Schreiber an. «Gibt es neue Regeln, Zacher? Für das Kind in unseremHaus hat Mamsell Elsbeth unterzeichnet. Auch wenn Madam Vinstedt sich erst vor wenigen Monaten hier niedergelassen hat, war sie in früheren Jahren häufig in dieser Stadt und ist vielen bekannt. Als äußerst respektable Person und Gattin eines verdienstvollen Bürgers. Ihr mögt es vergessen haben, denn es ist einige Jahre her, sie hat meinem Neffen und seiner Frau das Leben gerettet.»
Zachers müder alter Herzschlag stolperte. Er hatte alles richtig machen wollen, in diesem Fall besonders richtig, und nun war ihm ein schrecklicher Fehler unterlaufen. Er hatte eine Frau, eine
Dame
, der Sittenlosigkeit verdächtigt, die bei den Damen Kjellerup und Herrmanns als ‹liebe Freundin› zum Frühstück und am Sonntag gar in ihrem Garten vor den Toren erwartet wurde. Eine Lebensretterin. Natürlich mochten auch sittenlose Weiber einmal die Gelegenheit haben, anderen aus der Not zu helfen. Doch ausgerechnet den Herrmanns’, reich und angesehen wie wenige. Und Madam Kjellerup, eine der
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