Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
kleinen Wölfe alle zwei bis drei Stunden. Nach einer Woche wurden sie nur noch tagsüber gefüttert, was aber nicht bedeutete, dass wir sie nachts allein ließen. Wir waren immer noch fast 24 Stunden mit ihnen zusammen. Die Nahrungsmenge nahm zu, ebenso ihr Gewicht. Dann kamen die ersten Zähnchen, und mit ihnen fingen die Rangeleien an, um die Geschwister auszutesten.
Die fünf Kleinen bekamen viel Besuch von fremden Menschen, und es war für sie sehr wichtig, uns, ihre Ersatzmütter, um sich zu haben, als Schutz und zur Zuflucht, wenn sie Angst hatten.
Die einzige „Erziehung“, die wir ausüben mussten, war, den Kleinen mit den spitzen Zähnchen beizubringen, nicht an menschlichen Kleidungsstücken herumzuzerren oder an Schuhen zu nagen.
Anfang Mai war es soweit. Die Welpen bekamen ihr Außengehege. Morgens nach dem Frühstück brachten wir sie dorthin, und abends kamen sie wieder zurück in den Wohnwagen.
Das erste aufregende Erlebnis hatten die wölfischen Fünf, als sie ihr erstes Rehbein bekamen. Sie kämpften um das Bein wie erwachsene Wölfe. Die Interaktionen der Wölfe wurden immer häufiger und heftiger. Es machte sehr viel Spaß, sie zu beobachten. Beim Wachstum der Kleinen konnte man förmlich zusehen. Und als ich sie nach acht Wochen schweren Herzens verlassen musste, waren sie über sechs Kilogramm schwer, hatten hellgrüne Augen, steil aufgerichtete Ohren und sahen aus wie Miniaturwölfe mit viel zu großen Füßen.
In der Hoffnung, meine Wolfskinder bald wiederzusehen, habe ich mir geschworen, auch im nächsten Jahr wieder Welpen aufzuziehen. Es ist eine sehr befriedigende und ausfüllende Arbeit mit den kleinen Wolfskindern, und ich denke, es ist auch sehr wichtig für die Wölfe in freier Wildbahn, denn wer einen Wolf im Wolf Park gestreichelt hat oder von ihm „geküsst“ wurde, kann keine Angst oder Hass mehr für Wölfe empfinden.
(Karin Bloch; Wolf Magazin Herbst/Winter 1993/94)
Wölfe aus der Sicht des Eskimojägers
Der vorliegende Artikel diskutiert einige Aspekte der Ansicht der Eskimojäger zur Wolfsökologie, die die Meinung der modernen Wissenschaft ergänzen soll. Im Speziellen werden wir die Wolfsökologie aus der Sicht der Nunamiut-Eskimo („Menschen des Landes“) diskutieren, die nun in Anaktuvuk Pass in Alaska leben. Wir werden hier nur die grundsätzliche Betrachtung eines Themas darlegen, das, um wirklich vollständig verstanden zu werden, ein komplettes Wissen der Ethnogeschichte und Kultur der Nunamiut erfordert. Obwohl die Ansicht der Nunamiuts zur Wolfsökologie in vielen Punkten der westlichen Wissenschaft ähnelt, gibt es doch ein paar Unterschiede in der allgemeinen Theorie und viele im Detail der Naturgeschichte. Wir werden später noch darauf zurückkommen.
In den Schreiben der frühen Forscher, Archäologen und Anthropologen gibt es zahlreiche Berichte über das außerordentliche praktische Wissen und die scharfsinnige Wahrnehmungskraft der Eskimos. Die Beziehung zu ihrer natürlichen Umgebung wurde von Nelson (1969) in seiner Studie über die Faszination des Eismeeres und das zoologische Wissen der Alaskanischen Küsten-Eskimos wirkungsvoll erläutert. Nelson berichtet: „Es gibt keinen mystischen, vererbten Keim im Verstand eines Eskimos, der es ihm erlaubt, die Stimmung eines Tieres zu fühlen, die Bewegungen des Ozean-Eises vorherzusehen oder eine Veränderung im Wetter zu spüren.“ Vielmehr habe der Eskimo durch tägliche, funktionelle Interaktion mit seiner Umwelt, von der sein Leben abhängt, einen eindrucksvollen Vorrat an empirisch erreichtem Wissen angelegt. Auf die Erkenntnisse der Nunamiuts hinsichtlich der Tier-Ökologie haben sich Zoologen verlassen und sie hoch gepriesen.
Vor 1949 lebten die Nunamiut ein halbnomadisches Leben. Seit damals ist die Gruppe fast sesshaft geworden, und im letzten Jahrzehnt hat sich die Ökonomie der restlichen einhundertfünfzehn Berg-Nunamiut gewandelt von mobiler Jagd und Fallenstellen zu einer Wirtschaft der örtlichen sporadischen Jagd, Fallenstellen und Gelegenheitsjobs – all dies jedoch innerhalb des ursprünglichen Rahmens traditioneller Nunamiut-Kultur. Früher zogen die Jäger auf der Jagd nach Wild fast täglich über das Land, sogar im Sommer. Die Wintermonate waren und sind immer noch gekennzeichnet durch die Jagd und das Fallenstellen in einem noch größeren Gebiet. Vor der Prämienjagd, die ernsthaft in den späten 1930er Jahren begann und bis etwa 1967 dauerte, waren Wölfe fast
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