Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Ballenberghe, ein hoch geachteter Wolfsbiologe und ehemaliges Mitglied im Alaska Board of Game, glaubt, dass dort, wo die westlichen, arktischen Karibuherden leben, heute eine zwei- oder dreimal so starke Wolfspopulation leben kann, ohne die Anzahl der Karibus zu reduzieren.
Ähnlich ist im Nelchina Basin, einem bekannten Großwildjagdgebiet nördlich von Valdez in Südzentralalaska „genügend Platz für viel mehr Wölfe, ohne die Beute der Jäger zu reduzieren“, sagt van Ballenberghe. „Mit Ausnahm von Denali“, fügt er hinzu, „ist es schwer, heutzutage auf Alaskas Straßen zu fahren und einen Wolf zu sehen.“
Wissenschaftler schätzen die Wolfspopulation von Alaska auf fünf- bis sechstausendfünfhundert Tiere, ungefähr die Hälfte der Zahl von vor zehn Jahren. Diese Verringerung der Wolfszahlen hat ihre Ursache in verschiedenen Faktoren neben der Jagd aus dem Flugzeug. Aber in den letzten drei Jahren waren die fliegenden Jäger ursächlich für zweiundvierzig Prozent aller Wölfe, die getötet und dem Alaska Department of Fish and Game gemeldet wurden.
Bis 1971 konnte ein Pilot ganz legal Alaskas Wölfe direkt aus der Luft schießen. 1992 erließ der Kongress den „Airborne Hunting Act“ (Verbot der Jagd aus der Luft). Obwohl dieses Gesetz dem illegalen Abschuss von Adlern in den westlichen Staaten entsprang, wurden auch andere Arten in seinen Schutz einbezogen.
In Alaska saßen die fliegenden „Wolfer“ im Board of Game, das das Gesetz mit einer eigenen Regel umging, die besagte, dass man ein Flugzeug nutzen darf, um Wölfe, Vielfraße und Füchse zu töten. Man darf jedoch das Wild nicht aus der Luft bedrohen oder hetzen, sondern muss aus dem Flugzeug aussteigen, bevor man es erschießt. Außerdem muss man ein Gewehr benutzen und keine Schrotflinte.
1986 wurde der Biologe Vic van Ballenberghe Mitglied des Alaska Board of Game. Damit hatte das Mitglied Joel Bennet, langjähriger erbitterter Gegner der Land-and-Shoot-Jagd, Unterstützung. Gemeinsam überzeugten sie das Komitee, die Gebiete, in denen die Flugzeugjagd auf Wölfe erlaubt war, zu verkleinern. Sie hofften, dass das Board schließlich diese Praxis ganz beenden würde. Aber 1989 vergrößerte sich wieder das Areal, das für die Flugzeugjagd offen war.
Da es das Gesetz verbietet, ein Flugzeug zu benutzen, um Wildtiere zusammenzutreiben, zu hetzen, zu bedrohen oder zu belästigen, bat ich Al Crane, den ältesten Gesetzeshüter des Fish & Wildlife Service (FWS), den Begriff der „Belästigung“ zu definieren: „Wir definieren es als eine Aktion, die das Tier zwingt, seine Aktivität zu verändern.“
In der Theorie kann also ein Wolfsjäger landen und die Wölfe auf Schneeschuhen verfolgen, sie stellen und töten, ohne sie aus der Luft zu belästigen. Obwohl es keine Möglichkeit gibt, zu erfahren, welcher Prozentsatz von getöteten Wölfen nach dem Land-and-Shoot-Plan legal erlegt wurde – wenn überhaupt – so glauben die meisten Beobachter, dass sich diese Zahl um Null bewegt. Erfahrene Alaska-Flieger und Jäger erzählen mir einer nach dem anderen, dass jeder, der Wölfe mit dem Flugzeug jagt, das Gesetz brechen muss. Van Ballenberghe sagt: „Es ist praktisch unmöglich, Land-and-Shoot legal zu praktizieren. Einige versuchen es vielleicht, aber auch sie werden irgendwann das Gesetz beugen.“
Gordon Haber, ein anderer Wildbiologe, der Wölfe während der letzten 25 Jahre mithilfe des Flugzeuges beobachtet hat, sagt: „Jeder, der Erfahrung hat, weiß verdammt gut, dass es keine Möglichkeit gibt, Wölfe aus der Luft zu jagen, ohne das Gesetz zu brechen.“ Als der Vizepräsident der National Audubon Society (eine Naturschutzorganisation), David Cline, vor ein paar Jahren hundert Wolfsfelle im Lager eines Pelzhändlers von Anchorage untersuchte, hatten viele von ihnen Schrotkugellöcher, ein Zeichen, dass die Wölfe aus der Luft geschossen worden waren.
Während sich die ausgeschiedenen Regierungsagenten, die einst Wölfe professionell getötet haben, weigerten, über die Tiere zu sprechen, die sie 40 Jahre zuvor geschossen haben, versammelten sich die heutigen Hobbyjäger, um Geschichten über die Heldentaten ihrer Wolfstötungen auszutauschen. Dazu gehört auch die Prahlerei mit Überlebensgeschichten. Wenn der Pilot in Bodennähe fliegt, dann glaubt er, dass die unberechenbaren Bewegungen der Wölfe eine tiefe Schräglage, scharfe Reflexe und sofortige Anpassung erfordern. Ein kurzes Zögern, ein Windstoß oder ein
Weitere Kostenlose Bücher