Mit den Augen eines Kindes
vergangenen Abend nur, dass Bronko in dem Saunaclub gearbeitet hatte – die Sanitäranlagen sauber gehalten. Ab Mitte April war er nicht mehr zur Arbeit gekommen, großartig vermisst hatte ihn offenbar niemand.
Schmitz war überzeugt, dass Bronko auch in Hamburg zumindest eine Frau getötet hatte. Die junge Russin Tamara, von der Odenwald verpfiffen worden war. Er hatte sich die Ermittlungsunterlagen schicken lassen und sagte: «Bronko ist ein sadistisch veranlagter Triebtäter und Odenwald dem Anschein nach hündisch ergeben. Möglicherweise gehen noch mehr Opfer auf sein Konto. Ich könnte mir vorstellen, dass Odenwald ihm hin und wieder eine der illegal ins Land gebrachten Frauen überlassen hat. Wir sollten auf jeden Fall davon ausgehen, dass Odenwald den Auftrag zur Beseitigung dieser Tamara erteilt hat.»
Was der bedauernswerten Russin zugestoßen war – zu Hundefutter verarbeitet, hatte es beim LKA Hamburg geheißen. Mit Ironie oder besser mit rabenschwarzem Sarkasmus konnte man es jedoch auch als Geschlechtsumwandlung bezeichnen. Dass sie dabei unter Vollnarkose gestanden hatte, war auszuschließen. Maren war dabei gewesen, als Odenwald bei Godberg über die besonderen Fähigkeiten seines Handlangers sprach. Die Frage für Schmitz war nun: Wusste Frau Koska, welch eine Gefahr von Bronko ausging? Und sah sie in ihm eine Gefahr für sich? Das glaubte Schmitz nicht.
«Frau Koska urteilt nach Äußerlichkeiten», behauptete er.
«In ihren Augen ist Bronko ein Niemand, der bei Frauen allgemein nicht gut ankommt. So einer protzt eben mit Scheußlichkeiten, um zu beweisen, dass er mit einer Frau alles machen kann. Da Odenwald die Sache angeführt hat, hat sie es möglicherweise nur für den Versuch gehalten, Godberg einzuschüchtern.»
Nach dieser Einleitung ergriff Rudolf das Wort. Die Spurensicherung auf Koskas Grundstück hatte bis weit in den gestrigen Nachmittag gedauert und noch eine Zeugenaussage eingebracht. Ein älterer Herr mit Hund hatte aus respektvoller Entfernung zugeschaut. Erst als die Männer abrücken wollten, hatte er sich herangewagt und gefragt, was es mit dieser Aktion auf sich habe. So was sah man ja normalerweise nur im Fernsehen. Ob da eine Belohnung auf irgendwen ausgesetzt sei, hatte er wissen wollen und gemeint, er könne sachdienliche Angaben machen.
Er ging seit Jahren mit seinem Hund spazieren, morgens, mittags und am späten Abend, immer an Koskas Grundstück vorbei. Und am Mittwoch, dem 28. Mai, hatte abends ein grauer Kleintransporter mit offenen Hecktüren vor dem Haus gestanden. Sein Hund lief wie üblich aufs Gelände, um zwischen den rostenden Maschinen seine Geschäfte zu verrichten und ein bisschen zu schnüffeln, wie Hunde das eben so tun. Die beiden Männer, die sich in Koskas Haus einquartiert hatten, mussten das schon häufig gesehen haben, hatten sich aber bisher nicht darum gekümmert, kein Gezeter angefangen, wie andere das taten, wenn so ein Hund sich in ihren Vorgarten verirrte. Der Große mit dem Vollbart hatte den Hund Ende März sogar mal am Hals gekrault und ein paar freundliche Worte mit Herrchen gewechselt.
An dem Mittwochabend jedoch – also der Hund lief zu dem offenen Kleintransporter, Hunde waren nun mal neugierig. Er schnüffelte, bellte, sprang in den Laderaum. Und im nächsten Moment kam er jaulend, im hohen Bogen und mit blutiger Schnauze wieder herausgeflogen. Es musste ihn jemand fürchterlich getreten haben. Und das, meinte der ältere Herr, sei bestimmt nicht der freundliche Mensch mit Vollbart gewesen.
Er hatte sich nicht näher herangewagt, um festzustellen, wer nun genau der Tierquäler gewesen war. Er hatte sich ja auch erst mal um seinen Hund kümmern müssen und festgestellt, dass das Tier keine blutenden Wunden hatte. Das Kennzeichen des Transporters hatte er den Männern vom Erkennungsdienst leider nicht verraten können.
«Für die Fahndung ist das zu wenig», sagte Rudolf. «Aber höchstwahrscheinlich wurde Frau Godberg an dem Abend und in dem Fahrzeug weggeschafft.»
Dann kam er zu Maren. Sie war am vergangenen Nachmittag observiert worden und nicht auf direktem Weg zum Hotel gefahren. Zuerst hatte sie einen Abstecher zu dem Parkhaus gemacht, in dem der rote Golf sichergestellt worden war. Natürlich hatte sie bemerkt, dass der Golf nicht mehr da stand. Dann war sie zum Kaufhof geschlendert. Dort hatte sie etwas Unterwäsche, einen dunkelblauen Rock und die silbrige Bluse gekauft und zweimal telefoniert – von einem
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