Mit den Augen eines Kindes
öffentlichen Fernsprecher.
Ihr Schatten war nicht nahe genug herangekommen, um zu verstehen, mit wem und worüber sie sprach. Er hatte nur gesehen, dass sie vor dem zweiten Anruf ein kleines Kästchen aus der Handtasche nahm. Was sie mit dem Kästchen machte, war nicht zu erkennen gewesen, weil sie es mit ihrem Körper verdeckte.
Den ersten Anruf hatte ich entgegengenommen. Der zweite war bei Godberg eingegangen – auf dem überwachten Hausanschluss. Jochen hatte noch bei ihm gesessen und ihn mit der Aussicht auf die Viertelmillion dazu gebracht, den Fragenkatalog auszufüllen, den Schmitz zusammengestellt hatte.
Dabei hatte sich herausgestellt, dass Alex nur am 27. Mai, dem Dienstag unmittelbar nach der Entführung, ein längeres Gespräch mit Ella hatte führen dürfen. Länger bedeutete in dem Fall, dass sie mit schwacher Stimme mehr als drei Sätze von sich gegeben hatte. Danach hatte er bei keinem Anruf mehr von ihr gehört, als dass es ihr gut ginge. Es war ihm nicht vergönnt worden, seiner Frau irgendeine Frage zu stellen, auf die sie spontan hätte reagieren müssen. Er hatte es mehrfach versucht, aber jedes Mal hatte Maren ihm das Handy abgenommen.
Nur ein läppischer Satz. «Es geht mir gut, Schatz.» Genau die Worte, die auch der kleine Sven gestern früh von seiner Mutter gehört hatte. Und vermutlich war dieser Satz schon seit Tagen nur noch von einem Diktiergerät gekommen. Schmitz meinte, gestern Nachmittag sei solch ein Gerät von Maren eingesetzt worden.
Zuerst ein paar launige Worte von Odenwald. Dann der Satz von Ella, dann noch einmal Odenwald, der gerne «seine Frau» gesprochen hätte und kommentarlos auflegte, als er erfuhr, sie sei unterwegs, um Einkäufe fürs Wochenende zu machen.
Niemand sprach es aus, aber es war von allen Gesichtern abzulesen. Kaum noch Hoffnung für Ella Godberg. Der vermeintliche Arzt nur ein sadistischer Mörder. Wahrscheinlich hatte Bronko sie bloß in die Lage versetzt, einige Bänder so zu besprechen, dass es optimistisch klang.
Rudolf schloss die Besprechung mit den Worten: «Wir gehen vorerst weiter davon aus, dass Frau Godberg lebt. Aber wir gehen ab sofort etwas schneller vor.»
Einige nickten. Die meisten verließen den Raum. Kurze Diskussion unter den Zurückgebliebenen, ob Frau Koska nun festgenommen werden sollte. Aber Schmitz wollte die beiden Männer unbedingt und bezweifelte, dass sie deren Aufenthaltsort kannte.
«Sie hat sich schon nach sehr kurzer Zeit als unzuverlässig erwiesen», erklärte er mit einem bezeichnenden Blick auf mich. «Ich gehe davon aus, dass Odenwald und Bronko auch, vielleicht sogar vordringlich aus diesem Grund am achtundzwanzigsten Mai ihr Quartier gewechselt haben. Vermutlich haben sie mehrere Handys zur Verfügung. Frau Koska kann Kontakt aufnehmen oder wird angerufen, erfährt aber nichts über den tatsächlichen Aufenthaltsort ihrer Komplizen.»
Er ging mir ziemlich auf die Nerven mit seinem Geschwafel. Vielleicht, vermutlich und «ich gehe davon aus». Feststehende Tatsachen waren das nicht, nach allem, was Maren gestern zu mir gesagt hatte. «Wenn wir ab sofort das Tempo bestimmen», sagte ich, «möchte ich feststellen, was Frau Koska tatsächlich weiß. Vielleicht kann ich sie überzeugen, dass es für sie gesünder wäre, ihre Komplizen auszuliefern. Selbst wenn sie deren Aufenthaltsort nicht kennen sollte, müsste sie zumindest wissen, wo sie die zweite Hälfte des Lösegelds abliefern soll. Und noch glaubt sie, ich sei alleine involviert. Ich kann das als mein persönliches Interesse an ihrem Wohlergehen hinstellen.»
Schmitz tauschte einen langen Blick mit Rudolf. Was halten Sie von diesem Vorschlag? Rudolf zeigte den Ansatz eines Achselzuckens. «Wir müssen jedenfalls nicht mehr darauf warten, dass Frau Koska sich bei Herrn Metzner meldet», meinte er.
Wir mussten auch nicht befürchten, dass sie nicht abhob, wenn auf Godbergs Telefon meine Büronummer erschien. Rudolf sorgte dafür, dass mein Apparat für diese Übertragung freigeschaltet wurde. Schmitz schob mir die Ermittlungsunterlagen aus Hamburg zu. «Möchten Sie zuvor einen Blick in den Obduktionsbefund der Russin werfen, um zu sehen, was der Frau angetan wurde?»
«Nein, vielen Dank», sagte ich. «Das kriege ich auch so hin.»
«Gut», meinte er und mahnte. «Aber reden Sie Frau Koska nicht ins Gewissen. Appellieren Sie nicht an ihr Mitgefühl.»
Als ich den Telefonhörer aufnahm, erschien es mir noch gut und richtig. Doch als ich dann
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