Mit den Augen eines Kindes
gelassen hatten. Darüber war Alex ein wenig erzürnt. Aber auf den ersten Blick war er ein sympathischer Mann Anfang dreißig mit jungenhaftem Charme, Lachfältchen um die Augen und einem Grübchen am Kinn. Typ Sonnyboy, wie ein großer Fisch sah er wirklich nicht aus. Aber wem stand schon auf der Stirn geschrieben, was er trieb?
Ich saß dabei, überließ jedoch Jochen das Feld und hütete mich, meinen Namen laut werden zu lassen. Mein Gesicht konnte Alex nichts sagen. Es war jedoch anzunehmen, dass Oliver ihm schon mehrfach erzählt hatte, wie sein Papa hieß und welchen Beruf er ausübte. Und ich wollte ihn nicht auf den Gedanken bringen, wir könnten die Sache unter Freunden regeln.
Alex gab an, sein Haus am Sonntagnachmittag verlassen zu haben. Demnach musste es in der Nacht zum Montag passiert sein. Das Warenlager in seinem Keller – ach, Gott. Er lachte verlegen, konnte sich denken, wie das auf Polizisten wirkte. Aber es war völlig harmlos, in keiner Weise kriminell. Er kaufte Nachlässe auf und verkaufte, was immer sich noch verscherbeln ließ. Ein Ladenlokal betrieb er nicht, hatte nur eine Lagerhalle gemietet, in der minderwertige Sachen untergebracht waren, die er meist an Händler weitergab, die Trödelmärkte belieferten. Für wertvolle Gegenstände suchte er selbst Käufer.
«Ich nehme an», sagte Jochen, «das können wir alles in Ihren Geschäftsunterlagen überprüfen.»
Ja, konnten wir, wenn wir das für notwendig hielten. Mit Ausnahme der Pelze, darüber gab es keine Unterlagen, weil Alex sie nur für Freunde in Verwahrung oder in Zahlung genommen hatte. Sein Ton war nicht mehr gar so locker, als er das erklärte. Wenn ein Freund finanziell in die Klemme geriet, half er gerne, und wenn ihm eine Sicherheit geboten wurde, sagte er nicht nein. Er nannte einige Namen und bat, seine Angaben zu überprüfen. Darum hätte er nicht bitten müssen.
Nachdrücklich behauptete er, ihm sei nichts gestohlen worden. Die Beobachtungen des Ehepaares Kremer waren ihm bekannt. Sie hatten ihn in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass sich ein schmächtiges Figürchen in Lederjacke und hochhackigen Stiefeln für sein Anwesen interessiere. Das hatte er nicht ernst genommen. Nur weil ein Teenie zweimal durch die Straße schlenderte und an den Gärten vorbeiging, musste der ja noch keine unlauteren Absichten hegen.
Nun meinte Alex, der Jugendliche könne sehr wohl observiert und am Wochenende eine günstige Gelegenheit genutzt, sich angesichts der Werte im Keller jedoch so überfordert gefühlt haben, dass er die oberen Räume erst gar nicht mehr besichtigte. Was sollte so ein Kerlchen auch mit Teppichen, Pelzen, Gemälden und Meißner Porzellan anfangen?
So ähnlich beurteilte Jochen Becker es ja auch. Alex Godberg betrachtete die Sache damit als erledigt. Dass wir uns nun auf die Suche nach dem jugendlichen Einsteiger machen wollten, hielt er für Zeitverschwendung. Eine zerbrochene Fensterscheibe kostete nicht die Welt, und mehr Schaden war nicht entstanden. Aber da wir es für unsere Pflicht hielten, wenigstens die gesicherten Spuren auswerten zu lassen, um den Übeltäter damit vielleicht beim nächsten Einbruch überführen zu können, unterschrieb er widerwillig eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.
Jochen wies ihn eindringlich darauf hin, dass vorerst keine Pelze an Freunde zurückgegeben werden durften. Und dass wir eine Liste sämtlicher Freunde brauchten, Namen und komplette Anschriften. Darüber hinaus hilfreich wäre eine kurze Notiz zu jedem Freund, damit wir Herrn Meier nicht um den Kaufbeleg für den Zobel bitten mussten, den vielleicht Herr Schmidt seiner Frau geschenkt hatte.
Mir schien, dass Alex von diesem Ansinnen leicht schockiert war. «Muss das unbedingt sein?»
«Es muss», sagte Jochen.
Und Alex fügte sich nach drei Sekunden Bedenkzeit. «Na schön, Sie haben doch bestimmt E-Mail.»
«Haben wir», sagte Jochen, «brauchen wir aber nicht. Ich komme morgen zu Ihnen, dann können wir an Ort und Stelle prüfen, ob Sie jemanden vergessen haben.»
Es war sein Fall, darüber mussten wir nicht lange diskutieren. Was mich betraf, zum einen hatte ich anderes zu tun, als selbst zu ermitteln, und da gab es ja auch die persönliche Betroffenheit. Man kann nicht unvoreingenommen in den Angelegenheiten von Leuten wühlen, die einem beim Abendessen als nett, gebildet, freundlich, gar nicht nachtragend und überaus kinderlieb geschildert werden.
Abends versuchte ich, von Hanne etwas mehr als das
Weitere Kostenlose Bücher