Mit den Augen eines Kindes
Ahnung, Andreas Nießen erklärte: Im Normalfall gehe es so, erst müsse der Käufer zahlen, dann hoffen, dass die ersteigerte Ware auch komme und in Ordnung sei. Man könne zur Sicherheit die Summe bei ebay hinterlegen, die erst an den Verkäufer auszahlten, wenn man den Empfang bestätigt hatte. Das kostete extra, und dafür kam in der Regel der Käufer auf. Dass Herr Godberg die Zusatzkosten übernehmen wolle, müsse man als außergewöhnlich bezeichnen. Und so was, räumte Andreas Nießen ein, passte eigentlich nicht zu einem Hehler.
Ein integerer Kaufmann also, der niemanden übers Ohr haute, nur seiner Frau ihren Schmuck wegnahm. Jochen drückte sein Bedauern für Ella Godberg aus, sympathische Frau, meinte er und vermutete im gleichen Atemzug, dass Alex in Spielkasinos auch Schmuck in Zahlung nähme. So was trug man ja gerne, wenn man Roulette, Black Jack oder sonst etwas spielte. Und im Winter trennte man sich doch eher von der Armbanduhr als vom Pelz. Es reizte Jochen ungemein, einen Blick in den Wandsafe zu werfen. Nur war nicht anzunehmen, dass Alex den Safe ohne Durchsuchungsbeschluss öffnete. Und für solch einen Beschluss hatte Jochen keine Handhabe.
Vom Anfangsverdacht der Hehlerei war schon donnerstags nichts mehr übrig. Das LKA und die Kölner Kollegen hatten bisher noch nicht auf Andreas Nießens Anfragen reagiert. Er fragte nach, Fehlanzeige. Es schien nicht, dass die fotografierten Sachen irgendwo schmerzlich vermisst wurden.
Jochen schloss inzwischen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass es im Hause Godberg Diebesgut gab. Was den Einstieg anging, sah er nun zwei Möglichkeiten. Entweder der Jugendliche in Stiefel und Lederjacke. Dass der sich zufällig zweimal in die Straße verirrt hatte, glaubte Jochen nicht. Er vermutete das Bürschchen im Umfeld der Putzfrau. Sie mochte bei ihrer Familie oder im Bekanntenkreis von der stets abgeschlossenen Kellertür erzählt und Begehrlichkeiten geweckt haben. Vielleicht hatte sie auch mal mitbekommen, dass ein Mantel oder sonst etwas ausgelöst wurde. Die zweite Möglichkeit wäre ein Kunde gewesen, der ein hinterlegtes Pfand ohne größeren Kostenaufwand zurückgeholt hatte. Wie hätten wir feststellen sollen, ob etwas fehlte, wenn Alex das Gegenteil behauptete?
Freitag, 23. Mai
Jochen fuhr am Nachmittag noch einmal nach Kerpen, um etwas über das Umfeld der Putzfrau in Erfahrung zu bringen. Er wollte sich anschließend auch unter vier Augen mit Ella Godberg unterhalten. Bis um fünf arbeitete Alex daheim am Computer. Das wusste ich von Hanne. Danach war er meist unterwegs. Und in seiner Abwesenheit war mit Ella vielleicht eher zu reden. Etwas Druck, ein dezenter Hinweis aufs Finanzamt, vielleicht öffnete sie daraufhin den Safe freiwillig.
Als er vor Godbergs Haus anhielt, war das ältere Ehepaar von gegenüber im Vorgarten beschäftigt. Herr Kremer winkte Jochen dezent heran. Ihnen war noch etwas Bedeutsames eingefallen, das am Montag in der Aufregung untergegangen war.
Ende April, genauer gesagt in der Woche, als Alex sich nach einem «kleinen Unfall» ein neues Auto hatte kaufen müssen, waren Herr und Frau Kremer des Nachts von beträchtlichem Lärm aus dem Schlaf gerissen worden. Über den genauen Tag, vielmehr die Nacht konnten sie sich nicht einigen. Er schwor auf den Dienstag, sie beharrte auf dem Mittwoch. Aber das war nebensächlich, es war jedenfalls zwei Uhr und zu dunkel gewesen, um eine exakte Beschreibung des Hauptaktivisten abzugeben.
Herr Godberg sei wohl gerade erst nach Hause gekommen, meinte das Ehepaar Kremer, er komme ja immer sehr spät von der Arbeit, habe sein Auto in die Einfahrt gesteuert. Das Garagentor war zweiflügelig und nicht per Fernbedienung zu öffnen. Man musste aussteigen, für einen Flügel den Schlüssel benutzen und am zweiten die Arretierungen per Hebel lösen, ehe man ein Auto in Sicherheit bringen konnte. Und dazu war Alex in der besagten Nacht nicht mehr gekommen. Ob ihm jemand vor der eigenen Haustür aufgelauert hatte oder ob er auf dem Heimweg verfolgt worden war, konnten Herr und Frau Kremer nicht sagen. Ein Motorrad hatten sie gesehen und einen Mann in Lederkluft, der Herrn Godbergs Auto mit einem Hammer bearbeitete.
Und diese Aussage sowie Godbergs Nebenerwerb warfen doch ein anderes Licht auf Ellas gebrochenen Arm und Olivers Rockerstory, von der ich Jochen erzählt hatte. Auch darüber wollte er sich dann mit Ella unterhalten. Doch wider Erwarten war Alex noch daheim, als
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