Mit den Augen eines Kindes
Übliche über die Godbergs zu erfahren, ohne dabei selbst mehr als nötig zu verraten. Über berufliche Belange sprach ich sonst nie mit ihr, sie fragte auch nie. Und in diesem speziellen Fall – ich wollte sie nicht beunruhigen oder aus der Fassung bringen. Vielleicht stellte sich die Sache ja bald als harmlos heraus. Nachlässe aufkaufen, damit erklärte sich vermutlich ein Großteil dessen, was wir gesehen hatten.
Mit dem Abstand von etlichen Stunden konnte ich mir nicht mehr so recht vorstellen, dass ein Hehler den Sohn eines Polizisten mit seinem Kind spielen ließ und seiner Frau den freundschaftlichen Umgang mit der Mutter des Polizistensohnes gestattet. Hanne hatte häufig erzählt, sie habe mit Ella noch einen Kaffee getrunken, wenn sie Oliver hingebracht hatte. Den hatte sie ja bestimmt nicht an der Haustür serviert bekommen.
In den Keller war sie verständlicherweise nie geführt worden, hatte sich jedoch im Laufe der Zeit aus Ellas Bemerkungen und eigenen Beobachtungen einiges zusammengereimt. Und ihrer Meinung nach war es um die Finanzlage der jungen Familie nicht so rosig bestellt, wie ich mir das dachte.
«Alex kann nicht mit Geld umgehen», sagte sie. «Wenn er was hat, gibt er es aus. Ende April hat er sich ein neues Auto gekauft. Dabei war sein Wagen noch kein halbes Jahr alt. Ella sagte, er hätte einen kleinen Unfall gehabt. Klein.» Sie machte eine bedeutsame Pause. «Das lasse ich doch reparieren. Aber ein repariertes Auto zu fahren, ist wohl unter seiner Würde. Er macht Ella auch oft teure Geschenke, meist Schmuck. Den kriegt er zu einem Vorzugspreis, glaube ich, sein Onkel ist Goldschmied. Was Ella manchmal an den Fingern hat, wenn sie Fenster putzt, würde ich höchstens zu einem Silvesterball anziehen. Aber regelmäßig Haushaltsgeld ist nicht drin. Ich hab schon mehr als einmal mitbekommen, dass sie ihn danach fragen musste. Einmal gab er ihr zwanzig Euro. Damit wäre ich nicht losgefahren. Ella druckste auch herum, das wäre zu knapp. Aber mehr konnte er ihr nicht geben. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen und hab ihr angeboten, etwas für Olivers Betreuung zu zahlen. Er kriegt ja immer Mittagessen, wenn sie ihn mitnimmt. Ständig hat er Durst, wenn Sven ein Eis bekommt, muss sie Oliver auch eins geben. Aber Geld wollte sie nicht. Ich schätze, es war ihr peinlich.»
Dann kam endlich die Frage, auf die ich die ganze Zeit schon wartete: «Warum warst du denn heute bei ihnen? Hattest du Langeweile im Büro?»
«Einbruch», sagte ich nur.
Hanne legte entsetzt eine Hand vor den Mund. «Guter Gott, das auch noch, die arme Ella. Hoffentlich sind sie gut versichert.»
«Na, so schlimm war es nicht», sagte ich. «Gestohlen wurde nichts. Und ich wäre dir dankbar, wenn du ihr nicht gleich dein Mitgefühl ausdrückst.»
Dass ich überhaupt in Betracht zog, sie könne eine derartige Indiskretion begehen, veranlasste Hanne zu einem tadelnden Blick und der Bemerkung: «Ich werde morgen früh in Frankfurt anrufen. Ich muss nur erst rauskriegen, in welcher Klinik sie liegt.»
«Alex hat sie heute nach Hause geholt», sagte ich.
«Nach nur zwei Wochen?», wunderte Hanne sich. «Das soll doch so eine komplizierte Sache gewesen sein mit ihrem Arm, ein offener Bruch. Das heilt doch nicht in so kurzer Zeit.»
Dienstag, 20. bis Donnerstag 22. Mai
Für Olli endlich wurde Sven Godberg am Dienstagmorgen wieder in den Kindergarten gebracht, vom Vater. Sie trafen zur selben Zeit ein wie Hanne und Olli. Hanne wechselte ein paar Worte mit Alex, fragte jedoch nur nach Ellas Befinden und erfuhr, dass sie die Klinik auf eigene Verantwortung viel zu früh verlassen habe. Ella habe eben Sehnsucht nach Mann und ihrem Zuhause gehabt.
Olli erkundigte sich hoffnungsvoll, ob er nachmittags wieder bei seinem Freund spielen dürfe, und wurde von Alex auf später vertröstet. Ella sei noch nicht in der Verfassung und mit ihrem eingegipsten Arm auch noch nicht beweglich genug, um zwei überaus aktive Fünfjährige in Schach zu halten. Das mochte zutreffen, ich tippte jedoch eher darauf, dass sich diese Absage in der angekündigten Buchprüfung durch die Polizei begründete.
Jochen Becker fuhr kurz nach neun an dem Morgen nach Kerpen. Alex zeigte sich kooperativ, seine Geschäftsbücher lagen ebenso zur Einsicht bereit wie die gewünschte Liste der «Freunde», denen er aus der Klemme geholfen hatte. Jochen gab Namen und Anschriften telefonisch durch und prüfte bis zum späten Nachmittag vor allem die Sparte
Weitere Kostenlose Bücher