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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ausgezogen. Und sie trug unter der Kostümjacke ein Nichts aus weißer Spitze.
Noch ein paar Takte Schweigen, dann lachte sie leise. «Sei nicht so steif, Konni. Ich werde dich schon nicht beißen.»
Sie schien erwachsen geworden, reifer und zurückhaltender, keine Gefahr mehr für meinen Seelenfrieden. Nach drei Tänzen gingen wir zurück ans Tischende. Peter war mitsamt seinem Bierglas umgezogen. Maren setzte sich auf seinen Platz.
Dann saßen wir da wie abgeschnitten, beide auf Vorsicht bedacht. Sie trank hauptsächlich Kaffee. Ich blieb beim Bier. Beides drückte wohl gleichermaßen auf die Blase. Sie ging mehrfach aufs Klo, ich verkniff mir das – aus Furcht, sie könnte mir folgen. Sich nur keine Blöße geben und keinen Anlass für Spötteleien oder deftige Bemerkungen bieten.
Wir unterhielten uns in harmlosem Plauderton. Sie erzählte, wo sie die letzten neun Jahre verbracht hatte. In Florida sei sie nach ihrer Rückkehr nicht mehr lange geblieben. «Nur noch ein knappes Jahr, dann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Wenn man genau hinschaut, sind die Amerikaner noch spießiger als die Deutschen. Aber vielleicht bin ich auch nur ein ruheloser Geist.»
Das war sie mit Sicherheit, viel in der Welt herumgekommen, bis runter nach Singapur – erzählte sie jedenfalls. «Ein halbes Jahr habe ich dort gelebt. Aber das weißt du bestimmt schon. Ich habe Willibald ja immer eine Karte geschickt, wenn ich meine Zelte abgebrochen und irgendwo neu aufgeschlagen hatte.»
«Wann sehe ich Willibald denn mal», sagte ich. «Nur wenn wir unsere Pornohefte tauschen.»
Sie lächelte spöttisch. «Armer Konni. Ich hatte fest einkalkuliert, dass du es schaffst, wenigstens deine Frau wieder zu versöhnen. Ich habe sie zwar nur einmal gesehen, aber ich fand, sie passte gut zu einem Spießbürger.»
«Eben», sagte ich. «Deshalb habe ich mich gar nicht um eine Versöhnung bemüht. Ich dachte, sie sollte sich besser so einen suchen. Mir gefiel die Rolle des einsamen Wolfs.»
«Und du hast nie den Versuch unternommen, etwas Neues zu finden?» Da schwang Ungläubigkeit mit. Ich meinte, auch einen lauernden Unterton zu hören. Vielleicht hatte Brigitte ihr eben schon etwas erzählt, was mit Müllers Version nicht in Einklang zu bringen war. Es war anzunehmen, dass meine Mutter beim Lidl auch ein paar Worte über ihre Enkelkinder verloren hatte. Den Auffahrunfall an der Kreuzung bei der Kirche hatte sie garantiert erwähnt.
«Wozu?», fragte ich. «Ich hab’s bequem bei Mutter. Sie kocht gut und meckert nicht, wenn ich meine Socken oder die Bierflaschen vor dem Bett liegen lasse.»
Sie nickte versonnen und erzählte weiter von sich. Vor zwei Jahren sei sie in Hamburg gestrandet, habe sich als Immobilienmaklerin selbständig gemacht und vor gut einem Jahr ihren Mann kennen gelernt. Bei der Vermittlung einer hübschen Wohnung an der Außenalster habe es gefunkt.
«Und seit wann bist du verheiratet?», fragte ich.
Sie drehte mit verträumter Miene den Klunker an ihrem Finger. «Seit November. Aber ich muss es ja nicht aller Welt zeigen. Ich finde auch, so ein schlichter Ehering passt nicht zu mir.»
Dann begann sie zu schwärmen. Verliebt bis über beide Ohren, auf jeden Fall sehr beeindruckt von ihrem Mann. Er sei zwei Jahre jünger als sie, habe sich bei der Trauung für ihren Namen entschieden. Offenbar war er eine Stütze des Hamburger Nachtlebens. Ihren Worten zufolge gehörte ihm ein gut florierender Club.
Darunter konnte man sich einiges vorstellen: Ältere Herren in gedeckten Anzügen mit Zeitungen am Kamin ihre Drinks genießend. Oder Nackedeis auf Satinlaken Schampus schlürfend. Ich dachte an Letzteres, weil es mit den Gerüchten harmonierte, die damals über ihre Mutter in Umlauf gewesen waren. Zurück zu den Wurzeln. Der kitschige Klunker passte jedenfalls vortrefflich ins Rotlichtmilieu. Da stellte sich nur noch die Frage, was ein Hamburger Clubbesitzer zur Zeit in Kerpen tat. «Wollt ihr hier einen Puff aufmachen?», fragte ich.
Für zwei, drei Sekunden ging sie auf meinen Spott ein.
«Keine schlechte Idee. Bedarf wäre sicher vorhanden. Ich kann das ja mal zur Sprache bringen, wenn mein Mann sich einen Überblick verschafft hat.» Schon bei den letzten Worten überzog ihre Stimme sich mit Trauerflor. «Momentan nimmt er mir noch den Papierkram nach dem Tod meines Vaters ab.»
Dass der alte Koska kürzlich gestorben sein sollte, hörte ich zum ersten Mal. So etwas sprach sich normalerweise sehr schnell herum, zumindest bis

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