Mit den Augen eines Kindes
musste sie stutzig machen. In den ersten zehn, fünfzehn Minuten rührte sich gar nichts. Sie gab sich redlich Mühe, spielte auf der Flöte wie in alten Zeiten. Aber schließlich richtete sie sich auf und schaute mir mit einem undefinierbaren Blick in die Augen. «Was soll ich denn davon halten, Konni? Vor so einem Problem standen wir noch nie. Verrätst du mir etwas über die Gründe? Hast du dich letzte Nacht daheim als Liebhaber total verausgaben müssen? Drückt dich das schlechte Gewissen? Oder hast du berufliche Sorgen?»
So konnte man das wohl ausdrücken, aber das Nicken verkniff ich mir lieber. Spiel jetzt nicht den Heldenvater, dachte ich. Sie setzte sich rittlings auf meine Oberschenkel und begann mit sanften, kreisenden Bewegungen über meine Bauchdecke zu streichen. «Sprich dich aus, Konni, dafür bin ich immer noch gut. Ich werde es auch nicht weitererzählen, großes Ehrenwort.» Für einen Scherz klang das nicht leicht genug.
«Warum musste ich gerade jetzt unbedingt kommen?»
Sie lächelte. Auf mich wirkte es wie blanker Hohn. «Vielleicht hatte ich Sehnsucht nach einer Tracht Prügel. Du wolltest mich doch windelweich schlagen, wenn ich dich nochmal unter dieser Nummer anrufe.»
Bis dahin hatte sie sich nicht die Zeit genommen, irgendein Teil ihrer Oberbekleidung auszuziehen. Sie trug einen kurzen, engen Rock, den sie nur hochgeschoben hatte, und dazu die rote Bluse, in der sie am Dienstag unter die Dusche gestiegen war. Die Bluse öffnete sie nun, ganz langsam, Knöpfchen für Knöpfchen, schob den Stoff über die linke Schulter zurück, dann über die rechte und die Oberarme. Dabei schüttelte sie ihr Haar mit einer raschen Kopfbewegung nach hinten und betrachtete mich mit einem sezierenden Blick – so wie damals das verletzte Kätzchen.
Auf ihrem linken Oberarm befand sich ein Bluterguss, ziemlich frisch, noch überwiegend blaurot, stellenweise sogar schwarz, nur wenige gelbgrüne Sprenkel dazwischen. Vier Finger, ein Daumen und der Handballen hatten sich eingeprägt, als sei sie gewaltsam festgehalten worden von einer richtigen Pranke, passend zu dem Kerl, der im Golf gesessen hatte.
«Hattest du Ärger mit Rex?», fragte ich und legte meine Hand auf das Hämatom. Ich versuchte es zumindest, aber meine Hand war zu klein.
Sie lächelte immer noch. «Nicht der Rede wert. Er argwöhnte am Freitagabend, ich könne mehr getan haben, als nur irgendwo gut zu essen.» Während sie sprach, zog sie die Bluse ganz aus, darunter trug sie ein Seidenhemd. Und als sie das über den Kopf zog, wurde mir übel. Auf Brust und Rippen hatte sie weitere großflächige Blutergüsse. Der Form nach Faustschläge oder Quetschungen.
Ich tippte behutsam mit einer Fingerspitze gegen zwei der Hämatome. «Wenn das nur Argwohn war, sollten wir aufhören, ehe Rex richtig misstrauisch wird.»
«Das hat mich an dir immer so gestört, Konni», sagte sie.
«Du kannst einfach kein Risiko eingehen. Ich nehme einiges in Kauf, um dich zu treffen. Dafür lasse ich mich sogar mit dem Kopf ins Klo drücken, während die Spülung abgezogen wird, bis ich meine, beim nächsten Schwall zu ersaufen.»
«Macht er das auch mit dir?»
«Nein, dafür hat er seine Leute. Und die haben von der Pike auf gelernt, wie man ein Klo schrubbt. Aber mach dir darum keine Gedanken, Konni. Es war mein Fehler, ich hätte am Dienstag die nassen Klamotten nicht mit zurücknehmen dürfen.»
«Du bist verrückt.»
Sie lachte, es klang fast fröhlich. «Ja, nach dir, habe ich dir doch vor neun Jahren schon mal gesagt. Und bisher dachte ich, das beruhe auf Gegenseitigkeit. Was ist los mit dir, Konni?»
Sie wusste ganz genau, was mit mir los war. Ich hätte geschworen, dass sie es wusste. Ein guter Schauspieler war ich nie. Und der Gedanke, dass ich Hanne mit einer Frau zu betrügen versuchte, die vielleicht in eine Entführung verwickelt war, stand mir wohl auf der Stirn geschrieben.
Ihre Finger glitten immer noch spielerisch kreisend über meine Haut, umrundeten den Nabel, strichen an den Leisten abwärts. Ich konnte den Blick nicht lösen von diesen Flecken, hatte die Stimme meiner Mutter im Kopf. Lichtscheues Gesindel, Hamburger Fiesling, der Fred Pavlow drohte, ihm sämtliche Zähne auszuschlagen. Über die Erinnerung fand ich eine harmlose Frage: «Wie konntest du am Freitag bei meinen Eltern anrufen?»
Nun lachte sie hellauf. «Ach Gottchen, ist das der Grund für deinen Hänger? Haben sie dir mit vereinten Kräften die Hölle heiß gemacht? Lass
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