Mit den Augen eines Kindes
waren, wenn die Beteiligten nicht mitspielen wollten. Solange wir nicht von Godberg hörten, was nun genau und zu welchem Zweck mit seiner Frau geschehen war, waren uns die Hände mit Kälberstricken gebunden.
Ich hörte immer «uns». Aber ich fühlte mich gar nicht zuständig, hatte die Sache an die kompetente Stelle weitergeleitet, wollte nur noch um acht Uhr ein Hotelzimmer betreten und Maren erklären, dass ich nicht länger für diverse Spielchen zur Verfügung stand. Nicht einmal mehr zum Abschied. Dann wollte ich heimfahren und zusehen, dass ich Hanne versöhnte.
Irrtum! Rudolf Grovian wollte wissen, was Sache war, um den allerschlimmsten Fall seinerseits so schnell wie möglich in kompetente Hände, nämlich zur Kriminalhauptstelle Köln weiterleiten zu können. Und dafür brauchte er mich.
«Sie sind doch ein Freund der Familie.»
Nein, so fühlte ich mich nicht. Na schön, aber möglicherweise war ich Godberg zu großem Dank verpflichtet, weil er meinen Sohn auf die Straße gesetzt hatte, als es für seine Familie brenzlig wurde.
«Wir müssen dem Mann begreiflich machen, dass uns nur das Wohlergehen seiner Frau am Herzen liegt. Sollte es sich um eine Differenz mit einem Kunden handeln, die mit drastischen Mitteln bereinigt wird, ist von uns eine Einmischung nur auf seine ausdrückliche Bitte hin zu erwarten. Im anderen Fall darf er sicher sein, dass wir nichts, absolut gar nichts tun, was das Leben oder die Gesundheit seiner Frau in irgendeiner Weise gefährdet.»
Und die beste Möglichkeit, ihm das zu erklären, böte sich heute Abend um acht Uhr, fand Rudolf Grovian, wenn Frau Koska in einem Kölner Hotelzimmer auf ihren Lover wartete. Sobald sie Godbergs Haus verlassen hatte, sollte ich auf der Matte stehen. Nicht allein, er wollte mich begleiten, aber im Hintergrund bleiben. Damit Frau Koska nicht zu lange warten musste und eventuell ungeduldig oder gar misstrauisch wurde, sollte sich ein Kollege darum bemühen, sie auf der Autobahn festzuhalten. Mit der Baustelle dürfte es nicht schwer sein, einen Stau zu provozieren.
Ich hätte währenddessen zu sagen: «So, lieber Herr Godberg, jetzt reden wir mal von Mann zu Mann, von Vater zu Vater.»
Natürlich musste ich das richtig anfangen. Frau Koska durfte ich auf gar keinen Fall erwähnen, das würde bei ihm verständlicherweise nicht gut ankommen. Ich sollte mich nur auf meinen Sohn berufen und durfte keine Sekunde lang vergessen, dass ich eventuell Ella Godbergs Leben in meinen Händen hielt.
Ich fluchte nur noch, ohne einen Ton über die Lippen zu bringen. Ich wollte weder Ellas Leben noch sonst etwas in den Händen halten. Er konnte mich doch nicht allen Ernstes auffordern, gegen eine Frau zu ermitteln, mit der ich eine Affäre hatte, der ich möglicherweise hörig war. Seltsamerweise fiel mir das erst in diesem Zusammenhang ein, beziehungsweise auf. Ich war doch gar nicht objektiv und nicht vertrauenswürdig.
Ob er konnte, durfte oder nicht, Rudolf Grovian tat es, weil er meinte, es sei das Einzige, was wir nach Lage der Dinge tun könnten. Er tat noch einiges mehr, schöpfte unsere Möglichkeiten bis zur Neige aus. Dass er es auf die leichte Schulter genommen hätte, darf ich wirklich nicht behaupten.
Die nächste Viertelstunde verbrachte ich an einem Computer und bemühte mich um ein vorzeigbares Bild von Maren. Nachdem es so weit gediehen war, dass man es ausdrucken konnte, meinte ich, zumindest bei Thomas Scholl einen Anflug von Verständnis zu entdecken.
Mit Rex und dem kleinen Mann konnte ich nicht dienen, die hatte ich am Sonntagnachmittag ja nur für eine oder zwei Sekunden durch eine spiegelnde Autoscheibe gesehen. Fred Pavlow herzuholen schien auch Zeitverschwendung. Er hatte doch bereits erklärt, er könne in dieser Hinsicht nicht behilflich sein.
Kriminalrat Eckert meldete sich zu Wort: «Wir sollten zusehen, aus Hamburg ein Foto von diesem Odenwald zu bekommen.»
«Die haben anscheinend kein Foto von ihm», sagte ich.
«Quatsch», meinte Rudolf Grovian. «Sie hatten Zugang zu seiner Wohnung, da haben sie garantiert eingesammelt, was nicht niet- und nagelfest war. Da wird wohl ein Bildchen von ihm dabei sein. Und wenn sie seit einem Jahr die Russen observieren, da wird auch fotografiert, gefilmt und abgehört, was das Zeug hält. Vielleicht ist er da irgendwo mit drauf. Die sollen uns schicken, was sie haben.»
Er griff zum Telefon, stieß jedoch auf wenig Entgegenkommen. Angeblich war nun niemand mehr da, der mit dem Fall vertraut
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