Mit den Augen eines Kindes
wegbleibt.»
Umgehört, dachte ich, sah die Hämatome auf ihrem Oberkörper vor mir und machte noch einen Fehler. «Haben Sie Rex am Freitag angerufen?»
Ich war sicher, dass er es getan hatte, aber er schüttelte den Kopf. «Sie hat gewartet, bis Rex sich meldete. Er rief letzte Woche jeden Abend an, meist so gegen sieben, um sich zu erkundigen, wie viel Geld ich schon hatte. Sie hat ihm tüchtig Honig ums Maul geschmiert. Dann nahm sie den Autoschlüssel und hat mich gewarnt. Wenn ich sie verpfeife, lässt sie Ella bluten. Ich habe ihr keine Veranlassung gegeben, wirklich nicht.»
«Wir brauchen diese Telefonnummer», sagte Rudolf. Alex schüttelte erneut den Kopf. «Es ist nur ein Handy.» «Das können wir orten.»
«Das vielleicht, aber meine Frau nicht. Und kommen Sie
nicht auf die Idee, das Weib bei mir rauszuholen und in die Mangel zu nehmen. Da spiele ich nicht mit, dann ist sie eben eine gute Bekannte und nur zu Besuch. Sie weiß nicht mehr, wo Ella ist.»
«Was macht Sie da so sicher?», fragte Rudolf.
«Rex hat dafür gesorgt, dass Ella an einen anderen Ort gebracht wurde. Er kam am Sonntag, um die erste Rate abzuholen. Ich hatte noch nichts von Ella gehört. Rex
geriet außer sich, als ich ihm den Gips zeigte. Das Weib versuchte, sich rauszureden, sie habe nur getan, was vereinbart gewesen sei. Er hat sie trotzdem fürchterlich zusammengeschlagen. Ich dachte schon, jetzt müsste ich den Notarzt für sie rufen. Dann hat er den Doktor aufgescheucht und zur Schnecke gemacht, weil der ihn nicht gleich am Samstagabend informiert hatte. Er hätte ja sehen müssen, was mit Ella geschehen war.»
«Wurde der Doktor bisher nicht einmal beim Namen genannt?», fragte Rudolf.
Alex schüttelte noch einmal den Kopf.
Mein Kaffee schmeckte unverändert widerlich. Ich hätte längst nicht mehr gewusst, was ich sagen sollte, und war dankbar, dass ich nicht reden müsste.
«Ich verstehe Ihre Befürchtungen», fasste Rudolf zusammen. «Sie vertrauen lieber auf die Worte eines Schwerkriminellen als auf die Polizei. Obwohl Ihnen klar sein müsste …»
«Ich vertraue keinem, Herr Grovian», wurde er unterbrochen. «Ich will meine Frau. Ich will sie möglichst schnell und möglichst heil zurück. Können Sie dafür garantieren? Nein! Es liegt im Ermessen der Täter, und an die kommen Sie nicht ran.»
«Woraus ziehen Sie die Gewissheit, dass Ihre Frau noch lebt?», fragte Rudolf. «Vielleicht wurde sie am Samstag umgebracht.»
«Nein, ich habe heute Morgen noch mit ihr gesprochen. Gestern und vorgestern übrigens auch, da ging es ihr sehr schlecht. Heute ging es ihr wieder etwas besser.»
«Na schön», meinte Rudolf. «Dann kann ich nur an Ihre Vernunft appellieren. Glauben Sie im Ernst, dass Ihre Frau freigelassen wird, wenn Rex auch die zweite Rate kassiert hat?»
Alex nickte mehrmals hintereinander und bekräftigte es noch mit dem inbrünstigen Satz: «Das glaube ich nicht nur, Herr Grovian, davon bin ich überzeugt.»
«Ich nicht», sagte Rudolf. «Ihre Frau wurde bereits sehr schwer verletzt. Keiner der Täter ist maskiert in Erscheinung getreten. Die können es sich gar nicht leisten, Ihre Frau am Leben zu lassen, Sie und Ihren Sohn auch nicht. Niemand kassiert zwei Millionen und lässt sich anschließend um die halbe Welt hetzen. Dafür ist die Summe nicht groß genug.»
«Wer soll sie denn hetzen, wenn Sie sich nicht einmischen?»
«Ihre Einstellung in allen Ehren», sagte Rudolf. «Darauf vertrauen, dass sich daran nichts ändert, dürfen die Täter nicht. Momentan sind Sie noch sehr gefügig. Aber sollte Ihre Frau freigelassen werden, werden Sie rebellisch. Ich will Ihnen nicht einmal unterstellen, dass Sie das Geld unbedingt zurückhaben wollen. Sie sind es einfach Ihrer Frau schuldig, Herr Godberg. Kein Mann sagt in dem Moment: ‹Pfeif auf deinen Arm, Schatz, Hauptsache, wir leben.› Sie mögen sich das jetzt noch so fest vornehmen. Rex weiß, dass all Ihre guten Vorsätze beim Teufel sind, wenn Sie erst sehen, was Ihrer Frau angetan wurde.»
Eine volle Minute lang war Alex still, schaute Rudolf nur unverwandt ins Gesicht. Dann meinte er: «Vielleicht haben Sie Recht. Aber darüber denke ich nach, wenn es so weit ist.» Er erhob sich. «Ich muss jetzt los. Etwas Spielraum habe ich für Verhandlungen. Allzu spät möchte ich nicht zurückkommen, um das Weib nicht misstrauisch zu machen.»
Uns blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Als wir ins Freie traten, klingelte Rudolfs Handy. Er nahm das
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