Mit den Augen eines Kindes
die Steine sind fachmännisch geschliffen. Das war eine Heidenarbeit, muss man ja auch honorieren.»
Insgeheim bewunderte ich ihn und fragte mich, wie ich in seiner Situation wohl reagiert hätte, wenn mir einer mit solchen Sprüchen gekommen wäre. «Das erzählen Sie mal dem Mann, der sich nun einbildet, seine Frau mit Platin und Smaragden zu beglücken», sagte Rudolf. «Und er ist ja nicht der einzige Betrogene. Sie verkaufen auch gefälschte Uhren.»
«Nein», widersprach Alex gelassen. «Was ich nicht habe, kann ich nicht verkaufen. Ich borge mir nur etwas Geld bei Leuten, die eine Nobeluhr tragen möchten. Solchen Leuten tut es nicht weh, für ein paar Tage ihr Geld einem guten Zweck zur Verfügung zu stellen. Und ich denke, das Leben meiner Frau zu erhalten, ist ein sehr guter Zweck. Wenn Ella wieder bei mir ist, schicke ich das Geld zurück und erkläre, mir sei aufgefallen, dass die Uhr nicht in Ordnung ist.»
«Und wovon wollen Sie das zurückzahlen?», fragte ich.
Nun lächelte Alex etwas gönnerhaft, so eine Frage konnte wohl nur ein Mann stellen, der mit seiner
Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zur Miete wohnte. Er besaß ein großes Grundstück und ein Haus, schuldenfrei, wie er versicherte. Das sei ihm wichtig gewesen. Als selbständiger Kaufmann sollte man den Rücken frei haben, damit man sich, wenn es eng wurde, auf das Notwendigste beschränken konnte und nicht grübeln musste, wovon man die Hypothekenzinsen zahlen könnte. Aber wenn er das Haus nun verkaufte, das brachte gut und gerne dreihunderttausend. Und er hatte schon mehr als einmal bei Null angefangen, mit Frau und Sohn von der Hand in den Mund gelebt, zu anderen Zeiten im Geld geschwommen. Er käme finanziell wieder auf die Beine, gar keine Frage. Er hatte ja auch noch ein paar Sachen in seinem Lager, von dem Rex und Konsorten nichts wussten.
Es tat ihm anscheinend gut, uns seine Geschicklichkeit und seinen Werdegang zu schildern. Mit fünfzehn hatte er den Dachboden seiner Großeltern entrümpeln müssen, den alten Ramsch zusammen mit Ella auf dem nächsten Trödelmarkt feilgeboten und fast hundert Mark dafür bekommen. Danach hatten sie sich beide eingebildet, man könne als Trödler reich werden. Das war ein Irrtum gewesen. Sie hatten sich in den ersten Jahren ihrer Ehe mehr schlecht als recht durchgeplackert.
Aber einmal, mit zweiundzwanzig, hatte er etwas Geld übrig gehabt und Ella, die so oft auf alles Mögliche verzichten musste, einen schönen Abend bieten wollen. Es war ihre Idee gewesen, ins Spielkasino nach Aachen zu fahren, nur mal schauen, wie andere ihr Geld verzockten, selber spielen wollte sie gar nicht. Und da war dann dieser Mann, der nicht mehr weiterspielen konnte, aber überzeugt war, er hätte in spätestens zehn Minuten eine Glückssträhne. Und Ella lieh ihm ihr Geld.
So hatte es angefangen mit dem Nebenerwerb, der bald zur Haupteinnahmequelle geworden war. Er hatte rasch gelernt, die armen Hunde von den anderen zu unterscheiden. Krankhafte Spieler bekamen von ihm nichts. Und weil dieses Geschäft so gut lief, Ella aber höllischen Respekt vor dem Finanzamt hatte, deklarierte er seine Einnahmen aus Geldverleih als Gewinne aus dem Verkauf von Nachlässen.
«Können Sie alles nachprüfen», sagte er. «Sie müssen mir nur mal jemanden vorbeischicken, der wirklich etwas von Buchführung versteht. Aber bitte erst nächste Woche. Und Sie dürfen mir glauben, dass der Mann, der das Collier gekauft hat, in spätestens vierzehn Tagen seiner Frau das echte um den Hals legen kann. Ich nehme die Imitation zurück. Die gehört nämlich Ella. Ich wollte Grossert damit nicht betrügen. Erst als er sich weigerte, die Schulden seiner Freundin zu bezahlen, als er mir auch noch ein fast neues Auto kaputtschlug, da dachte ich – sagte ich ja eben, Schadenersatz.»
Rudolf brachte ihn vorsichtig zurück aufs Thema, Maren Koska und ihre Komplizen. Wir hörten uns den Ablauf der Geschehnisse noch einmal aus seiner Sicht an. Er hatte an dem Montagnachmittag Einkäufe gemacht, während Hanne da war. Ella konnte ja nicht fahren. Er war gerade erst wieder nach Hause gekommen, saß am Computer. Vormittags hatte er das Smaragdcollier ins Netz gestellt, das Ella sich nie um den Hals hängen würde. Sie war immer sehr zufrieden mit den Duplikaten.
Durch einen erschreckten Aufschrei seiner Frau wurde er in die Diele gelockt. Er hatte die Türklingel nicht gehört, weil die Kinder im Garten herumtobten. Und da standen die
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