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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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meine Bristol eingepfercht, bei sengender Hitze, in einer Wolke aus Staub und Dreck.
    Überall nur zerstörte Häuser, verfallene Baracken und desillusionierte Menschen. Angst kam in mir auf - ich hoffte innig, die Verzweiflung dieser Menschen nie am eigenen Leib spüren zu müssen.
    Solche Bilder waren es, die meinen Glauben an Frieden und Verständnis im Grundkern erschütterten.
    Nach acht Stunden kamen wir an. Die Frau in der Anmeldung des Krankenhauses von Priština, die an einem maroden Schreibtisch auf einem Schemel saß, der unter ihrem beachtlichen Gewicht zusammenzubrechen drohte, roch unangenehm - das war
das Erste, was mir auffiel. Sie ließ uns warten, während sie nach einem »Offiziellen«, wie sie sagte, Ausschau hielt.
    Uns ließ sie in einem stickigen Raum zurück, der zugleich Schreibbüro und Wartezimmer für die Notaufnahme zu sein schien. Auf klapprigen Stühlen saßen die Patienten. Wir nickten knapp in die Runde, stellten uns an eine Wand und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
    Warum die englische Armee einen ihrer Kameraden in einem zivilen Krankenhaus in Priština vermutete, war mir schleierhaft. Da wir keinerlei Anhaltspunkte hatten, wo sich der Soldat genau aufhielt, würden wir wohl in jeder einzelnen Krankenhausabteilung nachfragen müssen.
    Die Minuten wurden lang und länger, und ich hatte genug Zeit, die Patienten näher zu betrachten. Uns gegenüber saßen einige hustende Kinder mit vor Fieber glänzenden Augen.
    Sowohl die Haltung als auch Gestik der übrigen Wartenden verriet, dass sie hier schon seit Stunden warteten. Sie saßen eng beieinander, umsurrt von Stubenfliegen. Keinen von ihnen schien zu stören, wenn die Fliegen auf seinem Gesicht spazierten. Warum auch? Mich hätte eine Stubenfliege sicher ebenfalls kaum tangiert, wenn mein Leid so offensichtlich ignoriert worden wäre.
    Schlimmes Leid auf der einen Seite, resignierte Gleichgültigkeit auf der anderen.
    Wir warteten eine gute halbe Stunde auf einen »Offiziellen«, der schließlich in der Gestalt eines glatzköpfigen, kleinen Arztes im Wartezimmer erschien.
    Ich begrüßte ihn in unser aller Namen, doch dem Mann, der die Abscheu vor uns kaum verbarg, gelang es nur mühsam, ein »Guten Tag« herauszupressen. Dem Namen nach schien er ein Einheimischer zu sein. Seine Verachtung den deutschen Besatzern gegenüber - als nichts anderes betrachteten uns zahlreiche
Albaner - schien grenzenlos. In herablassendem, von Eiseskälte durchdrungenem Tonfall fragte er: »Was kann ich für Sie tun?«
    Ich erklärte so freundlich wie möglich: »Wir suchen einen britischen Kameraden, der zuletzt in diesem Krankenhaus gesehen wurde.« Er gab sich desinteressiert: »Und was soll ich da machen?« Ihn schien zu stören, dass er mit einer Frau sprechen musste. Ganz offensichtlich war das unter seiner Würde.
    »Wir versuchen herauszufinden, ob dieser Mensch noch am Leben ist«, sagte ich.
    Mein Gegenüber zeigte sich gelangweilt, bot aber dann doch immerhin an: »Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich Sie durch die Klinik führen.«
    Da er sich darauf beschränkte, uns die Behandlungsräume im Erdgeschoss zu zeigen, wiederholte ich mein Anliegen.
    Er rang mit sich, bevor er hervorstieß: »Folgen Sie mir.«
    Seine »Bemühungen« waren komplett fruchtlos. Er führte uns durch kilometerlange Flure und präsentierte uns Krankenzimmer, die an ein Dritte-Welt-Land erinnerten. Wir kamen an lauter kranken, verletzten Menschen mit leeren Gesichtern vorbei.
    Zwischendurch fragten wir immer wieder Schwestern, Pfleger und Ärzte nach dem Verbleib des britischen Kameraden, aber keiner schien diesen Mann je gesehen zu haben. Doch mit den Auskünften waren wir nicht zufrieden. Einige der Befragten schmückten ihre Berichte mit allzu dramatischen Gebärden aus, die den Anschein erwecken sollten, dass sie bis eben nicht gewusst hatten, dass es ein Land namens Großbritannien überhaupt gab.
    Beinahe schlafwandlerisch schlichen wir hinter dem unfreundlichen Arzt durch die Flure voll Angst und Elend. Meine Kameraden schauten sich in den Zimmern um, begleitet von dem herablassenden Lächeln unseres Führers.

    Meine Zweifel am Erfolg dieser Mission waren bereits ins Unermessliche gewachsen, als wir auf unserem Rundgang an einem Raum vorbeikamen, der sofort meine Aufmerksamkeit erregte.
    Durch das runde Fenster in der weißen Schwingtür schaute ich hinein. Und blickte in einen OP-Saal, der karg und vorsintflutlich eingerichtet war. Um einen Tisch dort

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