Mit der Hoelle haette ich leben koennen
sicher überstehen. Ein Kind jedoch, ein Junge wie Reinhards Sohn, würde so viele Fragen haben, es bräuchte eine Mutter und einen Vater.
Tags darauf fuhr ich mit dickem Kopf gemeinsam mit zwei Kameraden nach Priština. Wir waren ins Camp der Holländer unterwegs, um taktische Pläne oder Ähnliches abzuholen, keiner wusste es ganz genau, denn wir wurden - wie üblich - nicht eingewiesen.
Das holländische Camp lag in Albanien, weshalb wir für mindestens zwei Tage und eine Nacht unserem gottverlassenen Landstrich entfliehen konnten. Die Fahrt dauerte mehrere Stunden und führte uns über steile Hänge, vorbei an unzähligen Schauplätzen menschlichen Elends.
Von diesem »Ausflug« erhoffte ich mir zweierlei: endlich mal das Camp zu verlassen - und: mir bei den Holländern den Bauch vollzuschlagen.
Als wir gegen Abend in Priština eintrafen, warteten die Holländer bereits auf uns und luden uns tatsächlich zu einem opulenten Mahl ein. Ich griff tüchtig zu, aß so viel, dass ich zu zerplatzen drohte. Dennoch hätte ich mir am liebsten die Reste einpacken lassen.
Nachts lief ich auf der Suche nach einer Schlafgelegenheit durch das riesige Camp. Es war empfindlich kalt, Mitte Oktober bereits.
Da ich die Frauenunterkunft nicht auf Anhieb fand und von der beschwerlichen Fahrt müde war, schritt ich schnurstracks auf das nächstbeste Zelt zu, wo ich ein freies Feldbett entdeckte.
Als ich eintrat, stieß ich auf einen holländischen Kameraden, der sogleich fragte:
»Möchtest du meinen Schlafsack? Ich leihe ihn dir gerne, denn ich schlafe heute Nacht nicht. Allerdings brauche ich den Schlafsack morgen früh um fünf, denn dann geht meine Maschine. Ich fliege morgen nach Hause.«
»Danke, das ist sehr nett«, sagte ich. »Du rettest mich vor dem Erfrierungstod.«
Ich genoss die Wärme des Schlafsacks, während der Holländer mit einer Horde Kameraden im Betreuungszelt verschwand, wo sie geräuschvoll dem Bier zusagten. Für mich bildeten die Feiernden eine schöne Geräuschkulisse. Ich schlief sofort ein.
Als ich kurz nach dem Aufwachen auf die Uhr schaute, war es bereits nach sechs. Verzweifelt suchte ich nach dem Besitzer des
Schlafsacks, doch ich fand bloß den Spieß dieser Kompanie, der freundlich lächelnd sagte: »Klaas schenkt dir den Schlafsack. Wir alle wissen, wie kalt die Winter im Kosovo sein können.«
Als ich mit meiner Beute, dem Schlafsack, in unser Camp zurückkehrte, begleiteten mich lauter neidische Blicke meiner Kameraden. Während ich es warm hatte, waren sie weiterhin gezwungen, bei Eiseskälte in ihren minderwertigen, für diese Temperaturen ungeeigneten Schlafsäcken die Nächte zu verbringen. Wenn wir uns dann alle morgens, bei knapp zwei Grad über null, beim Waschen am Trog zum Zähneputzen trafen, wurde es mir so manches Mal ein wenig unangenehm zumute.
Es war bitter, dass ein Land, das seine Truppen zu Einsätzen in solche Breitengrade schickt, sie nicht ausreichend auszustatten vermag. Sehnsüchtig dachte ich an das opulente Abendessen im holländischen Camp zurück - woran konnte es liegen, dass es solche immensen Unterschiede bei der Truppenbetreuung gab?
Ich brauchte eine Weile, bis ich auf eine mögliche Antwort kam: Nationen wie England, die USA und wahrscheinlich auch die Niederlande hatten wesentlich mehr Erfahrung mit Kriegseinsätzen. Der Kosovo war lediglich ein Brennpunkt unter vielen, an denen man eingriff. Soldaten dieser Nationen waren geschult, erfahren, ihre Infrastruktur war nahezu optimal. Auf alle Fälle viel besser als bei uns. Dass ich mit dieser Einschätzung richtig lag, sollte ich nur wenig später erfahren.
Nach einem fröhlichen »Herein« betrat ich mürrisch das Büro der Abteilung G2. Wie schon so oft rechnete ich mit einem Einsatz, über den ich vorab nichts Näheres erfahren durfte, was meist nichts Gutes verhieß.
Mein Vorgesetzter grinste und sagte: »Heute haben wir etwas ganz Besonderes mit dir vor. Lass dich überraschen!«
»Ich habe aber keine Lust, mich überraschen zu lassen«, blaffte ich ihn an. »Ich hab Hunger, bin müde und friere.«
Er zwinkerte mir aufmunternd zu und sagte: »Engelchen, ich verspreche dir, es wird dir gefallen!«
Ich stieg mit ihm in den bereits wartenden Wagen, schloss die Augen und stellte mich schlafend.
Als ich die Augen wieder öffnete, staunte ich nicht schlecht: Wir hielten vor dem gewaltigen Tor von Camp Bondsteel, dem Lager der Amerikaner.
Nachdem die bis an die Zähne bewaffneten Sicherheitsposten
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