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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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seinesgleichen sucht. Ihr stand das Glück ins Gesicht geschrieben, als sie mich zum wiederholten Mal in den Arm nahm und fest an sich drückte.
    »Sine - mein Kind«, flüsterte sie und streichelte mir über die Haare.
    Es war etwas Besonders. Meine Mutter ist nämlich kein besonders emotionaler Mensch, der in solchen Momenten literweise Tränen vergießt. Doch alleine in der Art und Weise, wie sie »mein Kind« aussprach, zeigte sie, wie sehr unser Wiedersehen sie berührte.
    »Danke, Mama«, stammelte ich.
    Und wieder hielten wir uns aneinander fest, als sei im Trubel der Gefühle einer des anderen letzte Bastion.
    Noch immer sah mich meine Mutter an. Sie lächelte und sagte: »Endlich bist du wieder da. Endlich.«
    Es tat gut, diese kleine Frau in den Arm zu nehmen und ihren vertrauten Geruch einzuatmen, in mein Herz aufzunehmen.

    Nach einer Weile trat mein Schwager neben uns und fragte: »Wo soll’s denn hingehen, Ela?«
    Ich rief nur: »Zu McDonald’s. Ich habe einen Riesenhunger!«
    Wir stürmten ins McDonald’s, und ich bestellte, als gäbe es kein Morgen.
    Ein vollbeladenes Tablett in den Händen, drehte ich mich um - und hätte vor Lachen beinahe alles fallen lassen: Überall sah ich die vertrauten Gesichter meiner Kameraden, die vor weniger als einer Stunde in der Heimat angekommen waren - jeder von ihnen mit einem Berg von Burgern vor sich. Gemeinsam mit ihren Angehörigen aßen sie und schwatzten und lachten.
    Unser Hunger nach einem Stück Fleisch war groß, mindestens so groß wie die Sehnsucht nach einem Gespräch mit Menschen in Zivil, mit Menschen, denen wir vertrauten. Es war auch ein Hunger nach Normalität. Als ich die beiden Ärzte Tim und Johanna entdeckte, winkte ich ihnen kurz zu. Während des Fluges hatten wir nebeneinandergesessen, allerdings kaum ein Wort miteinander gesprochen. Uns allen war bewusst, dass die Zeit, die wir im Kosovo miteinander verbracht hatten, unwiederbringlich hinter uns lag. Natürlich standen wir uns im Einsatz sehr nahe, aber mit unserer Rückkehr war klar, dass sich unsere Wege trennen mussten. Damit endete auch das, was eine Zeit lang überlebenswichtig gewesen war: die Kameradschaft, die zwischendurch einer Freundschaft nahegekommen war. Wir wussten, dass wir das kameradschaftliche Gefühl nicht über den Krieg hinaus würden retten können. Denn: Wie sagt man jemandem Lebewohl, mit dem man Leichenteile eingesammelt hat?
    Es fiel kein Wort des Abschieds zwischen uns, als wir nach und nach aufbrachen. Wir sahen uns an, nickten uns zu und gingen aus dem Raum, aus der Tür, aus dem Leben der anderen. Jeder von uns sollte, wollte, musste von nun an wieder sein eigenes Leben führen.

    Auf der Fahrt von Köln nach Osnabrück wurde ich nicht müde, mir die Städte, die im Dunkel an mir vorbeizogen, ganz genau anzuschauen. Viel erkannte ich nicht, dennoch faszinierte es mich, wie ruhig Stadt und Land dalagen. Eine prächtige Kirche sah ich im Laufe der Fahrt auch - dieses Gotteshaus war ungefährdet, drohte nicht von Aufständischen vernichtet zu werden.
    All meine Gedanken waren noch immer geprägt von den Ereignissen im Kosovo. Fast verwundert registrierte ich, dass es weder Einschusslöcher in den Häuserwänden noch irgendwo Grenzposten oder Bewaffnete gab. War ich tatsächlich im Frieden angekommen?
    Während der Fahrt redeten wir nicht viel, und wenn doch ab und zu jemand etwas sagte, dann waren es Banalitäten. Als der Kombi das Ortsschild von Osnabrück passierte, war mir übel vor Aufregung. Wie wird es sein, wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen? Wie wird es sein, zivile Klamotten zu tragen? Wie wird es sein, so lange zu duschen, wie ich mag?
    Ich hatte meine Freundin gebeten, in meiner Wohnung auf mich zu warten. Meine Rückkehr in dieses Leben sollte langsam geschehen, in aller Ruhe.
    Mein Schwager und meine Mutter setzten mich vor meiner Wohnung ab.
    »Bis morgen dann, wir sehen uns zum Frühstück«, sagte ich und suchte nach meinem Wohnungsschlüssel.
    Zärtlichkeit, aber auch die Sorge der vergangenen Monate sprachen meiner Mutter aus der Seele, als sie zum Abschied sagte: »Gute Nacht, mein Schatz! Genieß die erste Nacht zu Hause. Denk daran, dass alles Schlimme jetzt ein Ende hat.«
    »Danke, Mama. Ich hoffe wirklich, dass es so ist.«
    Wie falsch ich damit lag!
    Als Josef das Gepäck aus dem Auto holte und vor mir abstellte, sagte er: »Nacht, Ela. Endlich mal nicht mehr im Zelt schlafen,
wie?«, und zwinkerte mir zu. Auch wenn mein Schwager

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