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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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standen eine Schwester und ein Chirurg, beide mit einem Stofffetzen über dem Mund und selbst von weitem erkennbar schmutzigen Kitteln.
    Unser Begleiter wies uns an, kurz zu warten. Er selbst spazierte hinein, ohne Mundschutz oder desinfizierende Maßnahmen. Er beugte sich tief über den narkotisierten Patienten und betrachtete das klaffende Loch in dessen Körpermitte. Was genau er da tat, war mir ein Rätsel. Vermutlich wollte er demonstrieren, dass er der Herr über Tod und Leben war.
    Es war sehr schwül, und ich sah, wie eine Schweißperle von der Stirn unseres Begleiters in die Wunde des Patienten tropfte. Allen Anwesenden in dem OP-Saal war das gleichgültig. Ich aber fragte mich: Ist denn hier ein Menschenleben gar nichts wert? Ich musste mich abwenden.
    An die Wand in dem dunklen Flur gelehnt, dankte ich Gott einmal mehr dafür, dass ich das Glück hatte, in der Zivilisation geboren worden zu sein, weit weg von Mord, Tod und Elend.
    Als der Arzt zurückkehrte, verfluchte er seinen hippokratischen Eid, der ihn zwinge, auch Nicht-Moslems zu versorgen. Er sagte: »Ich mag nicht Überstunden schieben, nur weil so ein minderwertiger Serbe einen Arzt braucht.«
    Abstand, ich musste Abstand herstellen. Der Hass trat hier zu massiv auf. Man hasste, weil ein anderer Gott verehrt wurde, und vergaß alle Menschlichkeit darüber.
    Auch bei uns. Einige meiner Kameraden im Camp - Leute, die
Tisch und Zelt mit mir teilten - waren kaum besser als dieser Arzt hier. Auch sie schienen jenes Volk, zu dessen Schutz sie eingeteilt worden waren, zu verachten.
    Ging das? War es möglich, andere Menschen ohne einen triftigen persönlichen Grund derart geringzuschätzen?
    Wir Soldaten erlebten tagtäglich Schreckliches, das stimmte. Wir bekamen hautnah mit, was der Hass der albanischen Bevölkerung bei den im Kosovo verbliebenen Serben angerichtet hatte. Doch auch die Serben hatten zahlreiche Unschuldige getötet, vergewaltigt und misshandelt. Alles Leid, das wir täglich miterlebten, der Schmerz, die Verzweiflung, die Machtlosigkeit wendeten sich irgendwann zum Hass auf die Albaner, die uns fremd und feindselig gegenüberstanden.
    Natürlich will ich bei einem derart sensiblen Thema nicht verallgemeinern. Aber es lässt sich nicht leugnen: Bei meinen Kameraden schien der Verstand ausgesetzt zu haben - sie hatten jeden Respekt vor der einheimischen Bevölkerung verloren …
    Wir waren die Guten, die Einheimischen waren die Bösen. So einfach war das für sie.
    Den britischen Kameraden entdeckten wir im Keller, versteckt unter einem Berg Krankenhausmüll.
    Er war tot.
    Er möge in Frieden ruhen.
    Wir nahmen seine Erkennungsmarke an uns, um sie den Briten zu übergeben, und überprüften, wodurch der Mann ums Leben gekommen war. Es erwies sich, dass er getötet worden war. Durch einen Schuss aus nächster Nähe.
    Dem Arzt, der den Fund lediglich mit einem Schulterzucken kommentierte, befahlen wir, den toten Soldaten ins Kühlhaus bringen zu lassen - wir konnten den Toten nicht mitnehmen, denn mit einem Leichentransport bei der Hitze hätten wir gegen Seuchengesetze verstoßen.

    Bis heute weiß ich nicht, unter welchen Umständen dieser britische Soldat verschwunden war. Doch das spielt letztlich keine Rolle. Er wird Freunde gehabt haben, eine Familie, Angehörige, die um ihn trauern. Und zweifellos starb er für eine Sache, die ihm fremd sein musste.
    Auf der Rückfahrt ins Camp sagte keiner von uns auch nur einen Satz. Uns fehlten mal wieder die Worte.

Nachkrieg

Nichts ist mehr, wie es mal war.
Das Gestern ist egal.
Das Heute ist surreal.
Das Morgen macht Angst.
    11.
    Es war ein kalter Mittwochabend - der 3. November 1999, 18.00 Uhr Ortszeit genaugenommen -, als unsere Maschine in Köln-Wahn landete.
    Nach achtundachtzig Tagen und vier Stunden war ich zurück in der Heimat. Fast drei Monate hatte mein Krieg gedauert. Und er sollte erst beginnen.
    Als ich in den Kosovo flog, war überhaupt nicht klar, wie lange ich dort bleiben würde - es hieß damals nur, bis zu sechs Monate seien drin.
    Doch eines Tages, ich war gerade auf dem Weg in die Kommandozentrale, um meinen Tagesbefehl zu erfragen, sah ich vor der Tür des Spießes einen Zettel hängen. Darauf standen die Namen der Soldaten, deren Einsatz beendet war, zusammen mit dem Datum ihres Rückflugs. Neugierig studierte ich die Einträge auf der Liste, und als ich neben Johannas Namen auch »Matijević, Daniela - 03.11.1999« las, machte ich vor Freude einen

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