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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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Luftsprung.

    Während der Zeit bis zum Abflug tat ich Dienst nach Vorschrift, und am Morgen des 3. November räumte ich mein selbst gezimmertes Regal komplett aus und packte meine Siebensachen zusammen. Zwar wechselte ich mit einigen Kameradinnen ein paar Worte, doch weder verabschiedeten wir uns groß voneinander noch veranstalteten wir am Vorabend der Abreise eine Party. Wir alle waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt, wollten nur noch weg von hier. Als ich gehört hatte, dass ich in Prizren eingesetzt werden sollte, wusste ich, dass dort die Auseinandersetzungen am heftigsten tobten, hatte also mit dem Schlimmsten gerechnet. Mit dem Schlimmsten - aber mit der Hölle, die mich schließlich hier erwartete, damit hatte ich nicht gerechnet.
    Beim Landeanflug brauste das Adrenalin in mir auf, während mir meine Fantasie ununterbrochen die sentimentalsten Wiedersehensszenen seit Vom Winde verweht vorspielte. Ich spähte durchs Fenster in die Dunkelheit unter mir. Die Lichter auf der Erde wirkten wie eine Einladung, endlich wieder am friedlichen Leben teilzuhaben.
    Als die Maschine mit einem Ruck auf dem Rollfeld aufsetzte, hielt ich für einen Moment den Atem an. Beide Hände krallte ich in die Armlehnen des Sitzes. Mein Herz klopfte, als wollte es gleich zerspringen. Nicht aus Angst oder weil ich nervös war. Nein, es war pures Glück, das in mir tobte.
    Während alle Passagiere zum Ausstieg drängten, blieb ich noch eine ganze Weile auf meinem Platz sitzen und versuchte das Gefühlschaos in mir zu sortieren.
    »Bist du festgewachsen?«, fragte Johanna. Sie war total aufgeregt, wahrscheinlich wäre sie am liebsten aus dem Flugzeugfenster geklettert. »Du willst doch wohl nicht wieder zurück?«
    »Nein!«, rief ich aus und sprang auf.
    Dennoch hielt ich mich weiter im Hintergrund. Zu sehen, wie die Kameraden des Verbandes Breitenburg ihre heimkehrenden
Soldaten empfingen, war spannend und anrührend zugleich. Sie taten es mit Blasmusik. Auf dem Flughafenparkplatz stimmten sie, eher besessen als ambitioniert, ein Lied nach dem anderen an, während die übermüdeten Jungs ihnen zitternd vor Kälte und vielleicht auch vor Rührung zuhörten.
    Normalerweise hätte ich bei dieser Art von Musik sofort die Flucht ergriffen, doch an jenem segensreichen Tag stand ich mit einem grenzdebilen Grinsen da und lauschte verzückt den urwüchsigen Klängen.
    Lange nachdem die Musik verklungen war und meine Kameradinnen und Kameraden ihre Eltern, Frauen, Männer und Kinder unter großem Hallo begrüßt hatten, blieb ich auf dem Parkplatz stehen. Eben noch voller Autos und Menschen, war die riesige Fläche mit einem Mal vollkommen verwaist. Eine beinahe beklemmende Stille herrschte nun.
    Als ich aber den Blick über die leeren Parkbuchten schweifen ließ, entdeckte ich Björn, einen der Ärzte aus unserem Feldlazarett, der sich mit traurigem Gesicht im hintersten Winkel des Parkplatzes verkrochen hatte.
    Ich ging zu ihm und fragte: »Meinst du, die haben uns vergessen?«
    Er grinste verlegen. Dann sagte er: »Das will ich nicht hoffen. Vermutlich Stau.« Er schlug seinen Jackenkragen hoch.
    »Wie ich meinen Schwager kenne, haben sich meine Leute bestimmt verfahren.« Schon stellte ich mir vor, wie mein Schwager mit meiner Mutter heftig diskutierend durch Köln irrte - auf der Suche nach dem Flughafen.
    Mein Schwager Josef ist ein wundervoller, sympathischer Mann, aber er verfügt leider über den Orientierungssinn einer Tontaube.
    Wir standen noch eine ganze Weile stumm nebeneinander, bis ich - ja, bis ich einen Wagen auf den Parkplatz einbiegen sah.

    Es war ein Mercedes-Kombi. Mit Osnabrücker Kennzeichen. Kein Irrtum möglich - es war der Wagen meines Schwagers.
    Eilig verabschiedete ich mich von Björn und rannte los.
    Dann: Jubel, Fanfaren, Geschrei! Erst fiel ich meiner Mutter, dann meinem Schwager um den Hals. Wir redeten durcheinander, jeder wollte zuerst erzählen. Wie vermutet hatte sich mein Schwager total verfahren, doch das war mir im Moment vollkommen egal. Hauptsache, sie waren da. Sie hatten mich nicht vergessen. Und freuten sich riesig. Und sie holten mich in mein früheres Leben zurück. Und alles, alles würde gut werden.
    Während mein Schwager meinen Rucksack und das Handgepäck im Kombi verstaute, musterte ich meine Mutter. Sie schien mir gealtert. Ihre Wangen waren eingefallen, sie hielt sich ein wenig gebückt, auch wenn in ihren Augen ein Sternenfeuer strahlte, das an Intensität und Charisma auf Erden

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