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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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unsere Ausweise, den Wagen und auch uns selbst gründlich kontrolliert hatten, öffneten die breitschultrigen GIs das Tor, und wir durften in das mit Kameras gesicherte Camp hinein.
    Bereits nach wenigen Metern hörte ich Engelsfanfaren, denn vor meiner Nase prangte ein Wegweiser mit der Aufschrift »Kentucky Fried Chicken«. Als ich kurz darauf noch einen Burger King entdeckte, war es um mich geschehen. Mit offenem Mund starrte ich auf die riesigen Betreuungszelte, aus denen Musik drang, und auf die vielen Kühltruhen, aus denen sich die Soldaten jederzeit mit Essenspaketen und Getränken eindecken konnten - umsonst, versteht sich.
    Der amerikanische Presseoffizier des Camps lud uns in eines der Riesenzelte zum Mittagessen ein. Aus welchem Grund wir im Camp waren, sollte ich nie erfahren. Einen Verdacht hatte ich allerdings: Wollten mir meine Kameraden eine Freude machen, indem sie mich zu einem ihrer Termine mitnahmen?
    Es fiel mir schwer, mich an der Essensausgabe zurückzuhalten, mich nicht vorzudrängeln. Mein Hunger befahl mir nämlich: »Lauf, Dani! Sicher dir das Essen!« Und mein Verstand bestätigte: »Tu es! So eine Gelegenheit kommt nie wieder!«
    Seit Tagen hatte ich nicht richtig gegessen, hatte ein Loch im Magen, dass es schmerzte. Übermenschliche Willenskraft war vonnöten, um den Hunger zu bändigen und professionelles Interesse an den Worten des amerikanischen Offiziers vorzutäuschen,
der vor dem Essen eine kurze Rede hielt. Von meiner lärmenden Umgebung bekam ich so gut wie nichts mit, ich war voll und ganz auf das Essen fixiert.
    An der Theke, bei der Essensausgabe, konnte ich mein Glück kaum fassen. Auf mich warteten, zum Greifen nahe: ein Salatbuffet, zahlreiche Suppen, kalte und warme Antipasti, eine Auswahl von sechs verschiedenen Hauptmenüs, ein Dessertbuffet von monströsen Ausmaßen und dazwischen die unterschiedlichsten Getränke.
    Es muss meinem vorgesetzten Offizier ein wenig peinlich gewesen sein, dass ich insgesamt viermal am Buffet erschien und jedes Mal mit einem bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit beladenen Teller zurückkam.
    Mein Magen war irritiert von der Flut guten Essens, mit dem er zweifellos nicht gerechnet hatte, und funkte wohl ununterbrochen ans Großhirn, ob diese Flut denn okay sei.
    Der knappe Befehl des Großhirns lautete: »Klappe halten - weiteressen!«

Es dürfen nicht die Rückschläge sein, die dich bremsen, sondern die guten Tage, die dich vorantreiben!
    Sandy Leddin
    10.
    Der Kosovo war mir fremd. Ich war an westlichen Lebensstandard gewöhnt, den ich auch schätzte. Die Einstellung der Menschen hier etwa zur Hygiene, auch wenn sie sicher von den Kriegszuständen bestimmt war, machte mich oft fassungslos.
    Es war Herbst, als ich den Auftrag erhielt, zusammen mit zwei Kameraden nach einem englischen Soldaten zu suchen, dessen letzter Aufenthaltsort das Krankenhaus in Priština war. Es war mittlerweile allseits bekannt, dass die Deutschen Sprachmittler einsetzten, weshalb uns nicht nur europäische Mitglieder der NATO mit Aufträgen versahen. Hochrangige Offiziere amerikanischer Streitkräfte baten uns, ebenso wie die Engländer oder die Russen, dann und wann um Mithilfe, was die für mich zuständige Abteilung G2 auch stets genehmigte.
    Diesmal lautete die Einsatzmeldung lapidar: Sucht einen vermissten englischen Kameraden. Letzter bekannter Aufenthaltsort: Priština. Mehr gab man nicht preis.
    Wir heizten mit Vollgas los.

    Was hatte es wohl mit dem vermissten Soldaten auf sich? Warum war er so wichtig? Wir wussten nicht mal, zu welcher Einheit er gehörte.
    Die Geheimnistuerei machte mich sauer. Wütend. Zornig.
    Klar, dachte ich, mich muss man nicht informieren, schließlich bin ich bloß der dumme, kleine Hiwi, der übersetzen, sonst aber die Klappe halten soll.
    Allerdings hatte ich genügend Zeit im Rettungsdienst der Bundeswehr verbracht, um zu wissen, dass unsere Einsatzmeldung nichts Gutes bedeuten konnte. Wenn wir in Deutschland im Rettungstransportwagen die Einsatzmeldung »Hilflose Person hinter verschlossener Tür« erhielten, war im Prinzip klar, dass die Chance, diese Person lebend wiederzufinden, eher gering war.
    Während also die Landschaft an mir vorbeizog und ich meine Wut zu mildern versuchte, waren wir uns eigentlich sicher, dass es längst zu spät war. Deshalb beeilten wir uns nicht. Wir ließen uns Zeit.
    Die Fahrt wollte nicht enden. Schlaglöcher über Schlaglöcher, die Federung des Wolfes: mangelhaft. Und ich hockte da - in

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