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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Entfernung sind meistens ungenau, wenn man sie im Dunkeln machen muß. Unter den gegebenen Umständen war deshalb meine Vermutung, daß wir in den nächsten fünf Viertelstunden annähernd hundertzehn Kilometer zurücklegten, ziemlich gut. Es war mein Richtungssinn, der verrückt spielte. Nach ungefähr zwanzig Minuten im dichten Verkehr begannen wir schneller zu fahren und dann, nach einem kurzen Halt und ein paar Worten von draußen, sehr schnell. Ich folgerte richtig, daß wir zu einer Autostrada gekommen waren und angehalten hatten, um die Gebühr zu zahlen. Verwirrend begann es zu werden, als sich nach ungefähr dreißig Minuten sehr schneller Fahrt das alles wiederholte. Wir kamen wieder an eine Zahlstelle. Ein Zweifel war nicht möglich. Als unser Fahrer heranfuhr, verlangsamte er das Tempo und kurbelte sein Fenster ganz herunter. Ich erkannte das an den veränderten Hintergrundgeräuschen und an der kühleren Luft, die hereinströmte. Als wir gerade ein, zwei Sekunden standen, war von draußen eine andere Stimme zu hören. Es war ein zweiter Gebührenkassier, der uns sagte, was er für diese kurze Strecke haben wollte. Was war das bloß für eine Autostrada, wo man erst bezahlen mußte, um raufzukommen, und dann noch einmal, um wieder runterzukommen? Waren wir irgendwo unterwegs umgekehrt und zurückgefahren? Noch eine von Chihanis Sicherheitsmaßnahmen? Konnte das geschehen sein, ohne daß ich etwas bemerkt hatte?
    Von da an hatte ich keine Orientierung mehr. Anfangs war ich sicher gewesen, daß wir nach Norden fuhren, dann wichen wir möglicherweise eine Idee in westlicher Richtung ab. Nun begann ich zu glauben, es gehe in östlicher Richtung weiter. Monza vielleicht? Die Gegend von Bergamo? Oder waren wir im Begriff, ins Zentrum von Mailand zurückzufahren, zu einer dieser Suiten in einem Luxushotel, die Zander ständig für sich reservieren ließ, um auf seinen Reisen um die Welt sich und die drei Aktentaschen unterzubringen?
    Wir kamen durch eine kleine Stadt und bogen dann langsam auf einen Weg ab, der mir wie einer dieser Bohlenwege vorkam, die beim Militär immer die Pioniere bauten, wenn für einen Transport durch sumpfiges Gelände ein fester Untergrund gebraucht wurde. Nur schienen die hier Telegrafenmasten anstelle der Zehnzentimeterbalken genommen zu haben. Unsere Geschwindigkeit verringerte sich zu einem Kriechen. Die Aufhängung des Busses protestierte mit heftigen Schlägen. Dann waren wir wieder auf einer ebenen Fahrbahn und fuhren in flottem Tempo durch eine Serie linker und rechter Kurven, in denen ich mich an meinem Sitz festklammern mußte, um nicht gegen Chihani geworfen zu werden. Sie hatte einen Haltegriff, an dem sie sich festhalten konnte. Das ging etwa zehn Minuten so, ehe wir wieder anhielten, diesmal an einer Verkehrsampel in einem Dorf, wie mir schien. Als es Grün wurde und unser Fahrer wieder anfuhr und Gang um Gang hochschaltete, griff Chihani in eine TWA-Flugtasche, die sie unter dem Sitz hervorgeholt hatte, und holte ein handtellergroßes CB-Funkgerät heraus. Sie zog die Antenne heraus, warf einen Blick auf ihre Uhr und begann dann zu rufen.
    Sie sagte zweimal »’allo, ’allo«, bevor eine Antwort kam. Es klang wie »Qui batula«, und es war die Stimme einer Frau. Chihani antwortete mit zwei kurzen Sätzen, mit denen ich absolut nichts anzufangen wußte, wiederholte sie beide sehr sorgfältig und schaltete dann ab. Ich nahm an, daß sie kurz über den Stand der Dinge berichtet hatte.
    Minuten danach kamen wir wieder durch eine kleine Stadt. Erneut kamen wir zum Stehen, und ich wartete darauf, daß der Fahrer wieder durch alle Gänge hochschaltete. Statt dessen bogen wir nach links ab, um dann auf Pflastersteinen ziemlich steil bergan zu fahren. Schon nach wenigen Metern, so schien es, hielten wir uns links, bogen scharf nach rechts ab und wurden langsamer. Der Bus rumpelte über etwas, das sich wie ein Bordstein anfühlte, und blieb stehen. Chihani stand auf und schob sich an mir vorbei.
    »Wir sind da«, sagte sie, »aber es ist wohl am besten, wenn ich Sie nach draußen führe, Mr. Halliday. Eine gewisse Vorsicht ist angebracht.« Sie nahm eine schwere Taschenlampe aus einer Halterung an der Tür.
    Wegen der Dunkelheit im Wageninnern konnte ich im Halbdunkel draußen sofort gut sehen, aber Vorsicht war tatsächlich angebracht. Wir waren in einem kleinen gepflasterten Hof zu Füßen von halbkreisförmigen steinernen Stufen, die zu einem Hauseingang führten. Es gab zwar

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