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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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abgestimmten Hemden mit Blumenmuster und Synthetik-Windjacken. Der Junge holte für sie beide Schokoladenriegel aus der Tasche, und sie begannen in ihrer eigenen Sprache leise miteinander zu plaudern. Worüber? Redeten sie davon, wie leicht ich gewesen war? Wie gut sie waren? Oder davon, daß die Arbeit bei einem einfachen, direkten Auftrag mehr Freude machte, so zum Beispiel beim Überfall auf Paciolis Chauffeur? Schwer zu sagen, aber sie waren beide von dieser eigenartigen großäugigen Leidenschaftslosigkeit, die man so oft auf den Gesichtern derer sieht, die mit der Gewalt keine Probleme haben. Es ist ein Gesichtsausdruck, der mit zunehmendem Alter meist sanfter wird und dem Betreffenden schließlich ein gutmütiges und liebenswürdiges Aussehen verleiht, das auf gefährliche Weise irreführend sein kann.
    Ich blickte Chihani an und hob den Regenmantel hoch. »Was soll ich damit?«
    Es schien sie zu befriedigen, daß ich gefragt hatte. »Wer weiß schon, wie lange Sie nicht mehr in Ihr Zimmer kommen werden, Mr. Halliday? Es könnte ja jemand nach Ihnen fragen. Beispielsweise Pacioli. Ihre Koffer sind also ausgepackt und Ihre Anzüge in einen Schrank gehängt worden. Ihre Zahnbürste ist feucht. Eines der Betten sieht aus, als hätten Sie darin zu schlafen versucht. Ihr Zimmerschlüssel ist dort in Ihrer Manteltasche. Vielleicht sind Sie spazierengegangen. Sie sehen, ich versuche alles einzukalkulieren.«
    Der verzögerte Schock verwandelte sich nun in Wut. »Ich wette, es gibt eine Eventualität, die Sie nicht einkalkuliert haben«, sagte ich.
    »Und die wäre?«
    »Mir tatsächlich Thiopental geben zu müssen. Darauf waren Sie nicht vorbereitet.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie waren drauf und dran, mir den Arm mit Spiritus abzuwischen, und dabei hatten Sie noch nicht mal die Spritze aufgezogen. Sie hatten Sie noch nicht mal aus der Packung genommen. Das war nur Bluff.«
    Sie sah zufrieden aus. »Sehr gut. Sie fangen an nachzudenken. Und warum sind Sie auf den Bluff eingegangen? Ich will es Ihnen sagen. Der Isopropylalkohol hat einen sehr ausgeprägten Geruch, den man mit Injektionen verbindet. Der Geruch überzeugte Sie also, und Sie bekamen Angst, ganz wie ich es beabsichtigt hatte. Warum? Weil ich Sie nicht bewußtlos haben wollte, wenn es nicht unbedingt erforderlich war. Es hätte Unannehmlichkeiten geben können. Irgend etwas hätte schieflaufen können. Nehmen wir nur einmal an, Sie hätten unter den Bettüchern im Wäschekorb Ihre Zunge verschluckt. So etwas wäre gefährlich.«
    »Allerdings. Sie hätten möglicherweise eine Leiche am Hals gehabt. Dann lieber ein kleiner Bluff. Auf die Weise können Sie nun einen quicklebendigen, frei atmenden Schriftsteller zu Ihrem Führer bringen. Ich hoffe, er macht sich nichts draus, wenn ich ihm – natürlich in aller Höflichkeit – sage, er soll in den Wind schießen.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Natürlich sind Sie im Augenblick noch erregt.«
    »Erregt, ganz richtig, und mehr noch überrascht.«
    »Überrascht? Sie sind doch ein erfahrener Mann. Was könnte Sie an dieser Sache überraschen?«
    »Es mag Ihnen merkwürdig vorkommen, Miss Chihani, aber ich bin es nicht gewohnt, bei der Ankunft in einem fremden Hotel von irgendwelchen Schlägern attackiert zu werden, die sich als Kofferträger maskieren. Dazu kommt, daß ich allein aus dem Grund hier bin, um Dr. Luccio beim Schreiben eines Buches zur Terrorbekämpfung zu assistieren. Wenn ich dann feststelle, daß er sich selber eine Terrorbande hält, dann habe ich wohl ein Recht darauf, überrascht zu sein.«
    Das entlockte ihr ein kurzes Lachen. »Sind Sie terrorisiert worden, Mr. Halliday? Wie entsetzlich! Aber ist es auch wahr? Ich würde eher sagen, daß Ihre Würde, wie Sie das nennen, ein wenig verletzt worden ist. Das ist es doch, oder? Sie werden sich schon wieder beruhigen.«
    »Meinen Sie. Wo fahren wir hin?«
    »Zum Treffen mit Dr. Luccio in einem sicheren Haus.«
    »Sicheres Haus, das ist ein Begriff aus dem Jargon der Nachrichtendienste. Gehört Dr. Luccio einem an?«
    »Sichere Häuser verwenden alle Organisationen und Gruppen, die diskrete und geheime Operationen durchführen, besonders aber Organisationen, die sich in erhöhtem Maße gegen feindliche Infiltration schützen müssen.« Sie hörte sich an, als zitiere sie aus einem Lehrbuch.
    »Um welchen Feind handelt es sich denn in Dr. Luccios Fall? Die Antiterror-Truppe, die Kidnapping-Spezialisten oder das Betrugsdezernat?«
    Sie

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