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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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von dem verriet, was sich dahinter abspielte, und daß man lernen mußte, in zwei wäßrigen, graugrünen Augen zu lesen.
    Sie lächelten zusammen mit dem Mund, als er mich begrüßte. »Willkommen, Mr. Halliday, willkommen.«
    Er trat zur Seite und bat mich mit einer Handbewegung herein. Keiner von uns machte Anstalten, dem anderen die Hand zu geben. Chihani nahm meinen Regenmantel.
    Ich sah nun etwas mehr von ihm. Er war ein Mann im mittleren, nicht näher zu bestimmenden Alter und hatte sich jedenfalls gut gehalten, ein Mann, der mit Bedacht aß und trank, sich viel körperliche Bewegung verschaffte, zu einem guten Zahnarzt ging, der sich sowohl von einer Maniküre als auch von einer Pediküre pflegen ließ und allzu großzügig von einem Toilettenwasser Gebrauch machte, das einen teuren Duft verbreitete. Zu registrieren war auch die Tatsache, daß sein Englisch trotz eines leichten Akzents nicht mehr verriet, als daß Englisch nicht die erste Sprache seiner Kindheit gewesen war. Er hatte eine helle Tenorstimme.
    »Macht es Ihnen etwas aus, Mr. Halliday, daß ich für unsere Zusammenkunft zwanglos gekleidet bin? Stört es Sie?«
    »Wie Sie sich zu kleiden belieben«, sagte ich, »ist bisher das einzige an dieser Zusammenkunft, was mich nicht stört. Ist damit Ihre Frage beantwortet?«
    »Aber ja.« Er nickte liebenswürdig, als sei meine Antwort höflich und hilfreich gewesen. »Aber kommen Sie doch bitte herein und machen Sie sich’s bequem.«
    Beim Eintreten sah ich, daß sich an die Nummer 17 ein Raum anschloß, der mit einem Paar Flügeltüren zu verschließen war. Es war eine Art Gymnastikraum mit einer Bodenmatte, einem Satz Hanteln, einem festmontierten Fahrrad, einem Massagetisch und einer mit Handtüchern bedeckten verstellbaren Couch unter einer großen Höhensonne. In Nummer 17 selbst gab es einen Büroschreibtisch, bequeme Drehsessel, einen Fernschreiber und eine Getränkebar. Der Teppich auf dem Boden sah teuer aus und fühlte sich auch entsprechend an.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Halliday. Bitte, nehmen Sie Platz.«
    Während er mich zum Sitzen aufforderte, bemerkte ich zum erstenmal eine seltsame Manieriertheit in seinem Benehmen, eine Art, mit ausgestreckten Händen und Unterarmen herumzugehen, als sei er ein Chirurg kurz vor einer Operation und habe sich gerade die Hände geschrubbt. Als ich Platz genommen hatte, blickte er durchdringend auf mein Gesicht herab. Ich fragte mich, ob er möglicherweise nach Anzeichen einer ansteckenden Krankheit suchte. Wenn einer so viel Wert auf Gesundheit und Fitneß legte und in dem Alter noch Gewichte hob, konnte er sehr wohl eine krankhafte Furcht davor haben, daß Krankheitserreger von der Außenwelt in sein sicheres Haus gebracht wurden. Aber nein, er war nur neugierig.
    »Sie sehen jünger aus, als ich erwartet hatte, Mr. Halliday. Im Fernsehen wirkten Sie älter, und das war vor zwei Jahren.«
    »Im Fernsehen fühlte ich mich älter.«
    »Natürlich. Sie haben da auch so viel von sich selbst eingebracht. Wußten Sie eigentlich, daß von den Leuten, die Sie in First of the Week interviewt haben, in der Zwischenzeit nicht weniger als drei unter Anklage stehen und sich schweren Beschuldigungen gegenübersehen?«
    »Dazu habe ich bestimmt nichts beigetragen.«
    »Aber wie großartig Sie die ins Kreuzverhör genommen haben! Wie ungeschickt und plump die plötzlich wirkten! Wie prächtig Sie die Macht der Worte gegen sie einsetzten! Dieser Halliday, sagte ich mir damals, ist ein Mann, der mit Worten umgehen kann.«
    »Genau das machte nach Meinung der Kritiker die Show zu einem Flop.«
    »Kritiker!« Er wischte sie mit einer Handbewegung vom Tisch. »Passiert es Ihnen nie, daß Sie völlig widersprüchliche Besprechungen eines Buches oder Theaterstückes lesen und gar nicht glauben können, daß es sich um ein- und dasselbe Werk handelt? Natürlich kennen Sie das. Sie tun sich selbst unrecht.« Er winkte Chihani heran, die immer noch in der Tür stand. »Du kannst hereinkommen, Simone. Mach dich nützlich. Betätige dich als unsere Gastgeberin. Bring was zu trinken.« Er setzte sich mir gegenüber, wobei sein Bademantel aufklaffte und muskulöse Oberschenkel und eine tiefe Narbe enthüllte, die nach oben auf die linke Leiste zulief. »Ich bin darüber informiert, Mr. Halliday, daß Sie am liebsten Whisky trinken. Was soll’s denn sein? Scotch oder Bourbon?«
    »Ich habe bereits Ihr Thiopental zurückgewiesen. Warum sollte ich Ihren Whisky annehmen?« Ich bemühte

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