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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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windigen Themas gehört, und eine Anspielung auf nichtexistierende Notizen bekommt man dabei fast immer zu hören. Natürlich hat der Kunde oft überhaupt nichts geschrieben, sondern nur ein wenig in den Tag hineingeträumt. Die wirklich Schüchternen oder Allzu-Bescheidenen sind selten. Trotzdem klang die Lüge aus Zanders Mund bemerkenswert überzeugend. Mit ihm an einem Buch zu arbeiten hätte durchaus unterhaltsam sein können.
    »Ich versteh schon, Doktor. Nun denn, Sie sagen, Sie haben eine englische Übersetzung des Manuskripts.« Ich bemerkte, daß mein neuer Drink größtenteils Wasser war.
    »Pacioli hat eine anfertigen lassen. Sie war nicht sehr gut, aber ich habe sie selber überarbeitet. Sie sollten wissen, daß es unter den alten anarchistischen Gruppen in Genf üblich war, selbst dann, wenn sie überwiegend russisch schrieben, auch Französisch zu verwenden. Es war für sie eine Lingua franca. Einige bedienten sich auch einer Kurzschrift, vielleicht zur Geheimhaltung. In den Aufzeichnungen Netschajews gibt es Passagen in der Fayet-Kurzschrift. Das war ein in Frankreich entwickeltes System.«
    »Aha.«
    »Und die französischen Passagen sind französisch stehengeblieben.«
    »Das macht nichts. Ich kann Französisch lesen.«
    »Simone, es liegt in der mittleren Schreibtischschublade. Es ist der Umschlag mit der Ziffer drei.«
    Sie nahm einen dicken Umschlag im Format einer Manuskriptseite aus der Schublade und gab ihn Zander.
    Er wog ihn nachdenklich in den Händen. »Mr. Halliday, wir kommen wieder auf das Problem der Sicherheit zurück.«
    »Na gut.«
    »Die feindlichen Kräfte, die glauben, Sie in Ihrem Hotel unter ihrer Aufsicht zu haben, wissen noch nicht, daß Sie ihnen heute abend entkommen sind.«
    »Nein, vermutlich nicht. Möchten Sie, daß ich mit dem Lastenaufzug nach oben fahre, so wie ich heruntergekommen bin?«
    »Das hätte wenig Sinn. Die werden inzwischen jeden Zugang zu dem Gebäude gesichert haben. Der springende Punkt ist, daß die ihren Fehler bemerken werden, sobald Sie – auf welche Weise auch immer – ins Hotel zurückkehren.«
    »Und?« Einen bösen Moment lang überlegte ich, was ich tun oder sagen konnte, wenn sie beschlossen hatten, die Sicherheit dadurch aufrechtzuerhalten, daß sie mich in ihrem sicheren Haus auf Eis legten.
    »Das heißt, daß Sie vom Augenblick Ihrer Rückkehr an als Feind gelten werden. Die werden ihre Gegenmaßnahmen verschärfen. Das Risiko für uns hier wird erheblich wachsen. Ich muß Sie deshalb fragen, ob Sie bereit sind, die Sicherheitsanordnungen für Ihre Fahrt nachher nach Mailand zurück und für Ihre morgige Rückfahrt hierher zu befolgen. Sind Sie dazu bereit?«
    »Natürlich, jetzt, da mir Gründe genannt worden sind.«
    »Dann schlage ich vor, daß wir uns morgen wieder treffen, zu einem Zeitpunkt, der Ihnen noch telefonisch mitgeteilt werden wird, aber nach einem Verfahren, das im voraus festgelegt wird.«
    Er nickte Chihani zu, die mir sofort das Glas aus der Hand nahm. »Kein Whisky mehr heute abend«, sagte sie, »und wir fahren so zurück, wie wir gekommen sind.«
    »In dem VW-Bus?«
    »Ja, aber nicht die ganze Strecke. Nicht weit von Mailand gibt es an der Autostrada eine größere Tankstelle. Von dort können wir Ihnen ein Taxi rufen, das Sie in Ihr Hotel bringt. Sie haben genügend italienisches Geld, glaube ich.«
    »Ja.«
    »Ihre Rückfahrt hierher wird wie folgt verlaufen: Um zwölf morgen früh werden Sie in Ihrem Hotel angerufen und nach Ihren Eindrücken von den Netschajew-Aufzeichnungen befragt. Dann – je nach den Antworten, die Sie mir auf meine Fragen geben – wird Ihnen gesagt, ob es sicher ist oder nicht, das Hotel zu verlassen. Wenn es noch nicht sicher ist, werden Sie zu einer festgesetzten Zeit noch einmal angerufen. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja.«
    Zander kicherte. »Sehr clever, Simone.«
    »Wenn man Ihnen sagt, daß es sicher ist, das Hotel zu verlassen, gehen Sie sofort hinunter und nehmen einen Mietwagen oder ein Taxi zum Flughafen Malpensa. Nicht Linate, wo Sie angekommen sind, sondern Malpensa. Verstanden?«
    »Ja.«
    »Im Flughafen gehen Sie an den Schalter in der Haupthalle, wo die Fahrkarten für den Bus nach Mailand verkauft werden. Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Die Hinweistafel über dem Schalter ist auf italienisch und englisch. Sie werden dort warten, bis das Mädchen vorbeikommt, das heute abend dabei war. Gehen Sie mit ihr und befolgen Sie alle ihre Anweisungen. Sie wird für Ihre

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