Mit der Zeit
elf, als ich ins Hotel zurückkam. Am Empfangsschalter fragte ich nach einem Flugplan der Alitalia und bekam gesagt, ich würde einen im Wohnzimmer meiner Suite finden.
Was ich statt dessen in meinem Wohnzimmer fand, war ein von einer Panatela-Zigarre stammender Rauchschleier und eine drei Mann starke Abordnung.
Fünftes Kapitel
D
er Raucher war ein Landsmann von mir, den ich seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen hatte. Als sich die Überraschung über dieses Wiedersehen legte und Erinnerungen an unser letztes Zusammentreffen zurückzukommen begannen, wurde mir bewußt, daß, soweit es mich betraf, die Zeit nichts geheilt hatte und daß, nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, unsere gegenseitige Abneigung so stark war wie eh und je.
Anwesend waren außerdem Renaldo Pacioli und ein Mann im Tweedanzug und mit einer Lesebrille, der ganz so aussah, als wolle er in einem Werbespot für Aspirin den Hausarzt spielen. Von den dreien schien nur Pacioli besorgt mit der Möglichkeit zu rechnen, ich könnte über ihren unangemeldeten Besuch nicht erfreut sein. Während sie noch dabei waren, sich aus den Sesseln zu erheben und sich zu räuspern, ging ich zu den Fenstern hinüber und öffnete beide so weit, wie das nur möglich war.
Der Raucher sagte: »Tag, Bob«, und drückte seine Zigarre in einem Aschenbecher aus, der von Kippen bereits überquoll. Als ich meinen Regenmantel und Luccios Umschlag auf den Schreibtisch warf, kam Pacioli mit ausgebreiteten Händen auf mich zu, und seine merkwürdige Geste schien Kapitulation und Entschuldigung zugleich.
»Ich bitte Sie, unser Eindringen zu verzeihen«, sagte er, »und ich hoffe, Sie werden die Gründe dafür verstehen können. Sie haben offensichtlich in Ihrem Landsmann hier ein vertrautes Gesicht erkannt. Er ist zur Zeit, wie er mir sagt, als politischer Attaché bei der Botschaft Ihres Landes in Rom. Ich fand ihn zusammen mit diesem anderen Herrn, Herrn Schelm, in meinem Büro, als ich von meinem Treffen mit Ihnen zurückkam. Sie sind beide heute nachmittag von Rom hergeflogen, eigens um Sie zu treffen. Als wir Sie telefonisch nicht erreichen konnten, um Ihnen die Dringlichkeit zu erklären, sind wir sofort hergekommen. Herr Schelm machte sich bereits Sorgen um Sie. Als wir feststellten, daß Sie, obwohl anscheinend ein Bett benutzt worden ist, nicht mehr hier waren, sorgten wir uns noch mehr. Doch auf Herrn Schelms Rat hin wurde beschlossen, nicht die Polizei einzuschalten, sondern zu warten.«
»Nun«, sagte ich, »ich kann Ihnen gern erzählen, was ich getan habe. Ich hatte eine Zusammenkunft mit Dr. Luccio. Es war nicht meine Idee, und meine Meinung war auch gar nicht gefragt. Ich wurde einfach hingebracht. Wo ich hingebracht wurde, kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Da ich dazu angeheuert worden bin, mich mit Dr. Luccio zu treffen und ihm zuzuhören, kann ich mich wahrscheinlich nicht beklagen und das Risiko eingehen, daß man mich einen Sauertopf nennt.« Ich richtete meinen Blick auf das bekannte Gesicht. »War es das, weshalb du mich sehen wolltest? Die Arbeit, die ich hier machen soll?«
Er tat so – und er hatte immer so getan –, als lasse ihn meine Feindseligkeit kalt. »Bob«, sagte er, »es gibt zwei Gründe, weshalb ich hier bin. Einmal um dir zu sagen, daß zu Hause vor ein paar Wochen deine Personalakte aus dem Archiv geholt worden ist.«
Das versetzte mir einen Stich, genau wie er erwartet hatte, und ich fuhr in an: »Wieso, zum Teufel? Ich hab mit euch nichts zu tun, und dabei wird es auch bleiben. Wenn die auf ihrer Ehemaligenliste irgendeinen Trottel suchen, können sie mich vergessen. Ich steh nicht zur Verfügung.«
»Nun mal langsam, Bob. Diese Geschichte mit der Briefbombe hat ganz schön Staub aufgewirbelt. Du hast ja wohl nicht erwartet, daß uns das verborgen bleibt. Und wenn wir hören, daß du Erkundigungen über Zander eingeholt hast, nun, dann müssen wir natürlich auch anfangen, uns zu erkundigen.«
»Ihr kennt Zander?«
»Wir kennen ihn schon lange, aber nicht immer so gut, wie wir das gerne gehabt hätten. Heute ist er das, was wir ein rohes Ei nennen.«
Er hatte schon immer was für den Insider-Jargon übrig. »Und das heißt?«
»Das heißt, daß er zu den Individuen gehört, zu denen wir am liebsten keine direkten Beziehungen unterhalten. Es können taktische Gründe sein oder, wie in diesem Fall, vorwiegend politische Gründe. Wir ziehen es vor, uns bestimmte Leute vom Leib zu halten. Das ist nichts
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