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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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zusammengearbeitet habe. Er war ein guter Soldat, wie im übrigen auch ich damals, sehr gut vor allem in der Ausbildung, und zwar für den Einsatz an der Front und nicht fürs Kasernenleben. Daneben war er aber auch ein Mann von Bildung, ein Arabist. Er brachte mir alles über den Wüstenaraber bei, und er brachte mir alles über Männer wie den Herrscher bei. Über Leute wie Sie brauchte er mir nichts beizubringen. Ich hatte bereits all das gelernt, was ich über den Westen wissen mußte. Er führte mich in die arabische Mentalität ein. Ihnen hat man wahrscheinlich erzählt, der Herrscher sei ein Verrückter. Habe ich recht?«
    »Man hat mir erzählt, daß er manchmal exzentrisch sein kann und daß er sich große Sorgen um seine Gesundheit macht, insbesondere um die Folgen des Altwerdens.«
    »Seine neurotische Furcht vor Impotenz? Haben Sie darüber die Köpfe zusammengesteckt und gelacht? Haben sie Ihnen von seinen seltsamen Erlebnissen in La Clinique de la Prairie in der Schweiz erzählt?«
    »Nein. Auch daß er an Sinusitis leidet, wurde nicht erwähnt.«
    Das entsprach durchaus der Wahrheit. Was Schelm tatsächlich gesagt hatte, war, daß der Herrscher als paranoider Schizophrener diagnostiziert worden sei, daß er sich aber wahrscheinlich nicht zu so einem gefährlichen Fall entwickeln würde wie vor ihm sein Vater. Der alte Scheich hatte im Golf eine gewisse Berühmtheit erlangt und seine britischen Schutzherren in große Verlegenheit gebracht, als er einen höchst angesehenen und sehr wichtigen ägyptischen Geschäftsmann umbrachte. Der unglückselige Ägypter hatte zu einer Audienz beim Scheich einen Brooks-Brothers-Anzug statt des weißen dishdasha -Umhangs getragen. Der Scheich war der Überzeugung gewesen, daß nur Engländer Anzüge trugen. Sein Mißtrauen war geweckt, verständlich vielleicht, wenn man weiß, daß er als Kind mit angesehen hatte, wie vier seiner älteren Familienmitglieder bei öffentlichen Audienzen ermordet wurden. Jedenfalls hatte der Ägypter in die Brusttasche gegriffen, um ein aus Kairo mitgebrachtes Empfehlungsschreiben herauszuziehen, und da hatte der Scheich sofort einen Revolver gezückt und geschossen. Er war ein ausgezeichneter Schütze gewesen, und der britische Armeerevolver, Marke Smith and Wesson, hatte den Kopf des Ägypters so zugerichtet, daß er nicht mehr zu erkennen war. Der Sohn des Scheichs, der Herrscher, war zwar nicht so schießwütig, hatte aber oft seltsame Eingebungen und gewisse Gewohnheiten, die in einigen westlichen Metropolen zu Schwierigkeiten mit der Polizei geführt hatten.
    »Er hat einen großen, ganz persönlichen Stolz«, sagte Zander, »genau wie die anderen. Es sind würdevolle und sehr sensible Männer. Der Herrscher gehört nicht zu denen mit einem großen Reichtum an Bodenschätzen in ihrem privaten Territorium. Er ist natürlich am kollektiven Reichtum der Föderation beteiligt, aber seine private Kaufkraft geht nicht in die Milliarden. Seine Herrscherbrüder wissen das. Was tun sie also? Unter Menschen, denen die Würde mehr bedeutet als das Leben, kann es nur eine Antwort geben. Sie drücken ihr brüderliches Verständnis auf praktische Weise aus. Das Projekt in der Bucht von Abra wird allen zugute kommen. Es wird der Föderation einen dringend benötigten Abwehrschirm unter einem einheitlichen Kommando bringen. Sie haben inzwischen erkannt, wie richtig das ist. Das Gleichgewicht der Supermächte im Golf muß zugunsten des Westens und zum nachhaltigen Vorteil der ganzen Golfregion reguliert werden. Ihre Nato-Experten wissen das so gut wie ich. Und trotzdem kommen sie mit diesen kleinlichen Fragen zum Protokoll. Brüderliches Verstehen, das ist die Antwort für sie. Warum sollte dem Herrscher von seinen Brüdern das Privileg – das er rechtmäßig geerbt hat, vergessen Sie das nicht – verweigert werden, über die Zukunft der Bucht von Abra zu verhandeln? Eh? O nein, sie sind großzügig, und sie sind weise. Sie versagen sich ihm nicht. Er hat ihren Segen und den Segen Gottes.«
    »Und was ist mit dem Segen Saudiarabiens? Hat er den auch?« fragte ich.
    Das war eine der Fragen gewesen, die Schelm am dringendsten beantwortet haben wollte. Der Herrscher, hatte er mir erklärt, müsse für das Projekt in der Bucht von Abra zumindest die stillschweigende Billigung der UAE eingeholt haben. »Andernfalls«, hatte er gesagt, »würde nicht mal dieser verantwortungslose wilde Mann einen solchen Vorstoß gewagt haben. Warum haben die ihm freie

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