Mit der Zeit
mehr hören wollte, und so ließ ich es erst einmal auf sich beruhen. »Wo liegt denn diese Mine des Herrschers?«
»In den Bergen, zwanzig Kilometer von Judenburg entfernt. Das ist eine sehr schöne Gegend dort oben. Wir werden uns allerdings ein paar Autominuten weit weg in einem Gasthaus bei St. Veit einquartieren. Am Abend vor dem Treffen, genauer gesagt. Ihre Verhandlungsdelegation sollte, wie in meinem Plan vorgeschlagen, in Velden übernachten. Es gibt dort eine Menge Zimmer für Touristen, und unter Touristen sollten sie weiter nicht auffallen. Und Sie können vom Gasthaus aus dort hinkommen, falls man Sie persönlich sehen will. Im Augenblick geht es für uns nur darum, Datum und Uhrzeit der Zusammenkunft bestätigt zu bekommen. Es sollte ein Zeitpunkt sein, der etwas vor ihrer Audienz beim Herrscher liegt. Ich schlage vor: am nächsten Dienstag, vormittags um elf Uhr.«
Und wir konnten annehmen oder alles vergessen. Ich sagte: »Ja, Mr. Zander.«
Das Fernschreiben an Schelm zu entwerfen, war eine tückische Aufgabe, und nicht nur, weil ich mich an die zur Authentisierung erforderlichen Code-Wörter ebenso erinnern mußte wie an die Art und Weise, wie sie einzubauen waren. Auf meinem Notizblock entstand schließlich folgendes:
LINDWURM VON BOB. SITUATION WIE VON IHNEN VORAUSGESAGT. FRAGEN LAUT ANWEISUNG GESTELLT ABER KEINE DAVON EINDEUTIG BEANTWORTET. FREIER AUSTAUSCH NUR AUF HÖCHSTER EBENE MÖGLICH. SILBERPREIS UNVERÄNDERT. TREFFEN VORGESCHLAGEN FÜR 11 . 00 UHR NÄCHSTEN DIENSTAG AM BEKANNTEN ORT. WIR KÖNNTEN MONTAGABEND DORT SEIN. DANN BLIEBE MIR ZEIT FÜR PERSÖNLICHE BERICHTERSTATTUNG. FALLS EINVERSTANDEN ERBITTE UMGEHEND IHRE LINDWURM HOTEL TELEFONNUMMER. MACHE FOLGENDE ANREGUNG. EMPFEHLE DRINGEND ZWEITES AUFNAHMETEAM 16 MM UND/ODER VIDEO FÜR DEN FALL DASS LOKALSENDER ODER FERNSEHGESELLSCHAFT ECHTES INTERESSE ZEIGT.
Ich schaute auf meine Uhr. Es war fast fünf. »Niemand kann meine Handschrift lesen außer mir«, sagte ich. »Ich muß das abtippen. Ich würde jetzt gerne ins Büro runtergehen, wenn es Ihnen recht ist.«
Im Aufzug war nur Platz für zwei. Vielle sagte, er nehme die Treppe. Im Aufzug sagte Zander: »Wird es uns gestattet sein, die Mitteilung zu lesen?«
Es war seine erste wirklich törichte Bemerkung und für mich der erste Hinweis auf die Belastungen, denen er ausgesetzt war und die er bisher so gut überspielt hatte. Ich antwortete so beiläufig und unbekümmert, wie ich nur konnte.
»Aber ja, natürlich. Ich kann ohnehin keinen Fernschreiber bedienen. Das wird jemand für mich erledigen müssen.«
»Jean-Pierre macht das oft. Wo geht denn die Mitteilung hin?«
»Nach Ulm in Westdeutschland. Ich schreibe dann die Nummer des Anschlusses oben drüber.«
Als ich die Mitteilung getippt hatte, gab ich sie ihm und beobachtete ihn beim Lesen. So richtig gefiel ihm das alles nicht, das war offenkundig, aber auf seinen energischen Widerspruch stieß nur der letzte Satz mit meiner Anregung, für ein echtes Aufnahmeteam zu sorgen. »Das ist absurd und überflüssig«, protestierte er.
Ich zuckte mit den Achseln. »Sie mögen recht haben. Aber es kann ja wohl nicht schaden, die andere Seite dazu zu hören, oder?«
Er zögerte, nickte dann, und Vielle machte sich an die Arbeit. Wir nahmen Platz und sahen ihm zu.
In meinem Beruf kommt es oft vor, daß sich meine persönliche Einstellung zu einem Kunden während der gemeinsamen Arbeit radikal und manchmal ganz plötzlich ändert. Achtung für die Ehrlichkeit eines Mannes wird da vielleicht in wenigen Minuten zur Bewunderung für die gekonnte Heuchelei. Großspurigkeit wird möglicherweise tagelang hingenommen, ehe die dahinter verborgene Schüchternheit deutlich sichtbar wird. Solche Wandlungen sind natürlich ganz normal. Man akzeptiert vielleicht den Klienten zunächst einmal so, wie er sich selber einschätzt, aber nur in seltenen Fällen bleibt es dabei bis zum Ende der Zusammenarbeit. Zuneigung und Abneigung haben wenig damit zu tun. Man bemüht sich um Einsichten, und wenn auch diejenigen, die man gewinnt, den Job nicht in jedem Fall erleichtern, so kann man doch immer damit rechnen, die eine oder andere Überraschung serviert zu bekommen.
Nun war Zander gewiß kein Klient, aber bestimmte Denkprozesse kann man nie ganz abschalten. Während wir dasaßen und auf die Geräusche des Fernschreibers hörten, änderte ich meine Meinung über ihn, oder zumindest war da ein Beginn in dieser Richtung. Zuallererst hatte ich mich vor ihm
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