Mit der Zeit
einen gelegentlichen Brocken verstehen werden, wenn sich der Herrscher und Zander unterhalten. Wenn Sie tatsächlich etwas verstehen, lassen Sie sich aber nichts anmerken. Okay?«
»Sicher, Patrick. Ich glaube allerdings nicht, daß ich in diese Verlegenheit kommen werde, Sie vielleicht? Ich werde zu dem Treffen wohl ebensowenig zugelassen werden wie Jean-Pierre. Das letzte, was der Herrscher haben will, sind zusätzliche Zeugen.«
Er runzelte die Stirn. »Vergessen Sie da nicht Ihr eigenes Szenario? Es kann bei dem Treffen so viele Zeugen geben, wie in dem Raum Platz haben. Der Herrscher wird die Geschichte so erzählen, daß Zander das Treffen für seine Freunde und Geldgeber von der Nato unter dem Vorwand, es sei nur ein einfaches Fernseh-Interview, arrangiert hat, ohne zuvor des Herrschers Erlaubnis einzuholen. Wir mögen zwar wissen, daß diese Geschichte nicht stimmt, aber warum sollten wir diese Tatsache bekanntmachen? Selbst wenn es dem Herrscher gelingen sollte, uns aufs Kreuz zu legen, uns wie Idioten aussehen zu lassen, würde es uns nichts einbringen, ihn bloßzustellen. Und außerdem: wer würde uns schon glauben? Zander ist der einzige, der die Katze aus dem Sack lassen könnte, und er wird nicht mehr lange Gelegenheit dazu haben. Er wird entweder tot oder aus dem Verkehr gezogen sein. Ich neige dazu, das letztere zu hoffen. Er mag kein einfacher Soldat sein, aber er hat Schneid.«
»Werden Sie ihm anbieten, er könne mit Ihnen kommen?«
»Ja, wenn ich den Eindruck habe, er könnte das Angebot annehmen. Wenn er mitgenommen werden will, werden wir ihn selbstverständlich mit nach Deutschland nehmen. Danach wäre natürlich Dieters Behörde zuständig. Aber wahrscheinlich wird er seine eigenen Leute nicht hier zurücklassen wollen und riskieren, daß man es ihnen vergilt. Sein ursprünglicher Plan sah ja vor, auch danach die Ortofilm-Tarnung beizubehalten.«
»Die ist möglicherweise jetzt schon aufgeflogen.«
Wie recht ich hatte, wußte ich da noch nicht.
Als das Gasthaus in Sichtweite war, sagte ich dem Fahrer, er solle anhalten, ich würde den Rest der Strecke zu Fuß gehen. Er nickte und machte die Scheinwerfer aus, während er an den Straßenrand fuhr. Beim Aussteigen sagte ich danke. Zur Erwiderung hob er nur stumm die Hand. Während ich dann auf das Gasthaus zuging, wendete er erst langsam, bevor er die Scheinwerfer wieder anmachte. Er hätte meine Ankunft nicht unauffälliger gestalten können.
Ich hatte schon früher am Tag festgestellt, daß das Haus zwei Eingänge hatte. Wenn man seinen Zimmerschlüssel dabeihatte, konnte man vom Parkplatz aus direkt ins Haus und zu der Treppe gelangen, ohne erst durch die Eingangshalle gehen zu müssen. Genau das tat ich. Beim Anblick eines Mercedes mit einem ORF-Presseausweis hinter der Windschutzscheibe, direkt neben den Ortofilm-Fahrzeugen geparkt, beglückwünschte ich mich zu meiner Weitsicht.
Doch damit war es vorbei, als ich die Treppe oben war. Das Gasthaus war eines jener Hotels mit Nischen in den Gängen. Ausgestattet waren sie jeweils mit zwei Stühlen mit leiterähnlichen Lehnen und einem kleinen Tisch, auf dem eine Topfpflanze stand. Als ich zur ersten Nische kam und gerade auf meine Zimmertür zugehen wollte, erhob sich ein zottiger junger Mann von einem der Stühle. Er trug einen blauen Blazer mit silbernen Knöpfen und graue Hosen.
»Mr. Halliday«, sagte er, »mein Name ist Christian Rainer. Ich komme vom ORF Wien, Abteilung Zeitgeschehen. Könnte ich Sie vielleicht kurz sprechen.«
»Ich wollte gerade schlafen gehen, Herr Rainer.«
Er nickte, als habe er gewußt, daß mir nichts Besseres einfallen würde. »Ja. Trotzdem glaube ich, Sie sollten sich Zeit für ein kleines Gespräch nehmen. Es könnte uns beiden Vorteile bringen.«
»Wenn es um das morgige Interview geht, für das man mich verpflichtet hat, dann glaube ich nicht, daß ich Ihnen etwas Brauchbares erzählen kann. Sie haben mit Monsieur Vielle gesprochen?«
»Und mit Madame Chihani. Ich würde ja vorschlagen, daß wir zum Reden in die Weinstube runtergehen, aber die ist jetzt geschlossen. Darf ich statt dessen mein Zimmer anbieten?«
»Wenn Sie etwas zu sagen haben, das nicht zu lange dauert, Herr Rainer, können wir uns dann nicht für ein paar Minuten hierher setzen?«
»Na schön.« Er nahm wieder Platz. »Aber ich fürchte, für das, was ich zu sagen habe, werden zwei Minuten kaum ausreichen.«
Ich setzte mich ihm gegenüber. Die Stühle waren so unbequem, wie
Weitere Kostenlose Bücher