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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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keine Gedanken zu machen. Ich nehme an, Vielle hat Sie gebeten, das Entwickeln zu übernehmen? Und Sie haben zugestimmt? Gut. Wenn Sie also, sagen wir, ab vier morgen nachmittag einen Wagen bereitstehen haben, wird Klüvers zusehen, daß Sie den Film bekommen, sobald alles in der Kiste ist. Wir werden das Resultat natürlich kurz ansehen wollen.«
    »Das wird sich in Graz machen lassen.«
    »Bestens. Ich überlasse es dann Ihnen und Klüvers, die Geschichte fertigzumachen.« Ich wollte aufstehen, aber er streckte die Hand aus und legte sie mir auf den Arm.
    »Sie werden mir doch ein bißchen was über die Fragen erzählen, die Sie ihm stellen werden, Mr. Halliday?«
    Dafür verdiente er nun wirklich eine Abfuhr. Aber ich bemühte mich, einigermaßen gelassen zu bleiben. »Herr Rainer, wie soll ich wissen, welche Fragen ich ihm stellen werde? Ich mache meine Interviews nicht so, daß ich Fragen von einem Notizblock ablese. Ich informiere mich vorher so gut wie möglich über mein Gegenüber. Ich unterhalte mich ein bißchen mit ihm, bevor die Kamera eingeschaltet ist. Gewöhnlich beginnt sich dabei eine Struktur für das Interview herauszukristallisieren. Im Grunde versuche ich zu erreichen, daß sich der Mann selber interviewt. Ich rede dabei möglichst wenig und stelle ein Minimum an Fragen.«
    Wenn er bemerkt hatte, daß ich dazu übergegangen war, meine Weisheiten von einem der höchstbezahlten Interviewer im Geschäft zu beziehen, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Er nickte nur. »Ich glaube, Sie sagten vorhin, daß Madame Chihani mit ihren Recherchen eine große Hilfe für Sie ist. Ich muß sagen, ich fand sie auch sehr aufnahmefähig und äußerst wendig.«
    »Das freut mich. Aber Sie sind sicher erfahren genug, zu wissen, Herr Rainer, daß eine Streiterei zwischen dem Herrscher und einer österreichischen Regierungsstelle wegen der Baugenehmigung für eine Klinik kaum dazu angetan ist, das Interesse eines amerikanischen Publikums längere Zeit wachzuhalten. Die möchten lieber wissen, wie es um seine Bereitschaft steht, in Fragen der Verteidigung mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Ich möchte nicht, daß Sie nachher von dem, was Sie zu sehen bekommen, enttäuscht sind.«
    Er nahm seine Hand von meinem Arm, und wir standen beide auf. Er sagte: »Ich habe nicht gefragt, wer Sie mit diesem Interview beauftragt hat, und ich werde auch jetzt nicht fragen. Wenn es tatsächlich eine PR-Aktion für diesen Herrscher sein soll und eine große Gesellschaft wie die Syncom-Sentinel die Rechnung begleicht, dann sind Sie sicher gut beraten, wenn Sie anstreben, daß er sich selber interviewt. Wenn Sie aber etwas zu produzieren hoffen, das der Gesellschaft nutzt und einen gewissen Nachrichtenwert hat, dann müssen Sie ihm wenigstens mit einer unangenehmen Frage die Zunge lösen.«
    »Sie hätten dafür natürlich einen Vorschlag.«
    »Natürlich. Das würde so aussehen: Hier in Österreich bauen Sie, Herr Herrscher, eine Klinik, in der Erkrankungen der Atemwege behandelt werden sollen. Stimmt das? Gut. Und ist Ihnen bekannt, daß manche Leute hier sagen, in Wirklichkeit sei es gar keine Klinik, sondern ein riesiger privater Atombunker? Und daß es andere, Ihnen weniger freundlich gesonnene Kritiker gibt, die sagen, Sie bauten nicht nur einen Atombunker, sondern eine Festung , allein dazu bestimmt, von Ihnen persönlich im Dritten Weltkrieg benutzt zu werden? Wie würden Sie auf solche Vorwürfe reagieren, Herr Herrscher?«
    »Herr Rainer«, sagte ich freundlich, »wenn ich der Herrscher oder auch nur ein kleiner Politiker wäre, müßte ich Ihnen als erstes sagen, daß Sie keine Fragen stellen, sondern eine Rede halten.«
    Er wurde tatsächlich rot. »Ich kann Ihnen versichern, Mr. Halliday, daß ich unter normalen Umständen genau das zu einem meiner eigenen Reporter sagen würde, wenn der sich so verhielte. Ich wollte auch nur kurz einige der Gründe für die Ressentiments darstellen, die man hier diesem Mann entgegenbringt.«
    »Gibt es noch andere Gründe?«
    »Er beschäftigt keine Österreicher.«
    »Und was ist mit den Wachposten an der Mine? Werden die nicht von einer Wiener Firma gestellt?«
    Er rümpfte die Nase. »Ehemalige Polizisten mit Pistolen und Antiterror-Ausrüstung, Tränengas. Vor ein paar Monaten wurde davon geredet, Studenten planten Aktionen gegen die Mine. Daraus wurde nichts, aber die Wachposten blieben. Von einer Beschäftigung für Österreicher kann man da wohl kaum reden. Ich denke

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