Mit dir an meiner Seite
dass sie sich wiedersehen würden - und zwar schon ziemlich bald.
Will mochte sie. So viel war sicher - auch wenn sie sich nicht erklären konnte, wieso und weshalb. Wenn Kayla hier wäre, könnte sie mit ihr darüber reden. Vielleicht am Telefon? Aber irgendwie war das kein Ersatz, und Ronnie wusste auch gar nicht recht, was sie sagen sollte. Im Grunde wollte sie nur, dass ihr jemand zuhörte.
Als sie sich dem Bungalow näherte, ging gerade die Tür zur Werkstatt auf. Jonah trat heraus ins Sonnenlicht und lief in Richtung Haus.
»Hey, Jonah!«, rief Ronnie.
»Oh, hallo, Ronnie.« Jonah kam sofort zu ihr gerannt. »Kann ich dich was fragen?« »Ja, klar.«
»Möchtest du einen Keks?« »Wie bitte?«
»Einen Keks. Zum Beispiel einen Oreo. Ja oder nein?«
Ronnie hatte keine Ahnung, was hinter dieser Frage steckte. Aber es kam oft vor, dass die Gedankengänge ihres Bruders nicht parallel zu ihren verliefen. Vorsichtig antwortete sie: »Nein, danke.«
»Wie bitte? Du willst keinen Keks? Das gibt's doch gar nicht.«
»Ich will aber trotzdem keinen.«
»Okay, okay.« Er winkte ab. »Aber - angenommen, du wolltest einen Keks. Angenommen, du wolltest sogar unbedingt einen Keks und du wüsstest, dass sich im Küchenschrank Kekse befinden. Was würdest du tun?« »Ich würde einen essen.«
Jonah schnippte mit den Fingern. »Genau! Das sage ich auch. Wenn jemand einen Keks will, dann soll er einen essen. So ist das bei den Menschen.«
Aha, dachte Ronnie. Jetzt verstehe ich. »Lass mich raten. Dad will nicht, dass du etwas Süßes isst.«
»Stimmt. Ich komme fast um vor Hunger, aber er gibt einfach nicht nach. Er sagt, ich muss zuerst ein Sandwich essen.«
»Und das findest du unfair.«
»Es ist doch so, wie du gesagt hast: Du würdest dir einen Keks holen, wenn du einen wolltest. Warum soll es bei mir anders sein? Ich bin doch kein kleines Kind mehr. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen.« Er schaute sie sehr ernst an.
Ronnie legte nachdenklich den Finger ans Kinn. »Hmm. Ich verstehe, dass dich das nervt.«
»Es ist nicht fair. Wenn Dad einen Keks will, kann er einen essen. Wenn du einen Keks willst, kannst du einen essen. Aber wenn ich einen Keks will, gilt diese Regel nicht.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Ich esse ein Sandwich. Weil ich muss. Weil die Welt unfair ist zu Zehnjährigen.«
Er trottete davon, ohne ihre Reaktion abzuwarten. Lächelnd schaute Ronnie ihm nach. Vielleicht konnte sie ja später mit ihm ein Eis essen gehen. Kurz überlegte sie, ob sie ihm folgen sollte, doch stattdessen ging sie zur Werkstatt. Allmählich wurde es Zeit, dass sie sich mal das Fenster anschaute, von dem sie schon so viel gehört hatte.
Im Türrahmen blieb sie stehen und schaute zu, wie ihr Vater Blei lötete.
»Hallo, Schatz, komm rein.«
Sie trat ein. Zum ersten Mal nahm sie den Raum in sich auf. Als sie die merkwürdigen Tiere auf den Regalen sah, rümpfte sie die Nase. Dann trat sie zu dem Arbeitstisch mit dem Buntglasfenster. Soweit sie es beurteilen konnte, war es noch lange nicht fertig. Das war höchstens ein Viertel! Bestimmt mussten noch Hunderte von Glasstücken verarbeitet werden.
Nachdem ihr Vater wieder ein Glasstück eingefügt hatte, richtete er sich auf und rollte die Schultern. »Der Tisch ist ein bisschen zu niedrig für mich. Nach einer Weile tut mir der Rücken weh.«
»Brauchst du ein Tylenol?«
»Nein, nein. Ich werde alt. Tylenol hilft da nicht viel.«
Lächelnd ging Ronnie zu der Wand, an der neben einem Zeitungsartikel über den Kirchenbrand ein Foto des früheren Fensters hing. Nachdem sie es aufmerksam studiert hatte, wandte sie sich ihrem Vater zu. »Ich habe gerade mit ihm gesprochen«, begann sie. »Ich bin zu der Werkstatt gegangen, in der er arbeitet.«
»Und?«
»Er mag mich.«
»Kein Wunder. So eine wie dich findet er so schnell nicht wieder.«
Ronnie lächelte immer noch. Sie war ihrem Vater richtig dankbar. War er schon immer so nett gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern. »Wieso machst du eigentlich das Fenster für die Kirche? Weil Pastor Harris dich hier im Haus wohnen lässt?«
»Nein. Ich hätte sowieso ein Fenster gemacht ...« Er verstummte, aber Ronnie schaute ihn erwartungsvoll an. »Es ist eine lange Geschichte. Möchtest du sie hören?«
Sie nickte.
»Ich war sieben oder acht Jahre alt, als ich das erste Mal in die Kirche von Pastor Harris gegangen bin. Es goss in Strömen, und ich wollte mich irgendwo unterstellen, weil ich schon
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