Mit dir im Paradies auf Erden
Sebastian das wünschte. Nach einigem Überlegen fand sie das gar nicht so schlecht, denn Pat würde erst am Abend kochen.
Joy, die Wirtin, erkannte das Missgeschick auf den ersten Blick. „Sie Ärmste, wie ist das denn passiert?“
„Reine Unachtsamkeit.“ Fleur lächelte kläglich, Grund genug für Sebastian, sofort wieder die Initiative zu ergreifen.
„Joy, vielleicht könnten Sie Fleur zeigen, wo sie sich frisch machen kann. Dann hätten wir gern etwas zu essen und eine Flasche Wein.“
Sie lächelte mütterlich. „Ich begleite Fleur und versorge sie mit Handtüchern. Sie, Sebastian, können sich solange hiermit beschäftigen.“ Sie reichte ihm die Karte.
Wie Fleur im Waschraum erleichtert feststellte, war der Schaden an ihrer Garderobe gar nicht so schlimm. So nass und schmutzig der Parka auch war, ihre Jeans waren nur am Saum etwas feucht. Das Gesicht dagegen, das ihr nach dem Waschen aus dem Spiegel entgegenblickte, sah einfach nur schrecklich aus. Warum hatte sie nur ihre Handtasche nicht mitgenommen? Noch nicht einmal einen Kamm hatte sie sich eingesteckt. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als das Haar, das sie zu allem Unglück auch offen trug, mit bloßen Händen in Form zu bringen.
Sebastian, der einen Tisch direkt am Kamin gewählt hatte, stand sofort auf, als er sie kommen sah, und rückte ihr den Stuhl zurecht. „Sie sehen deutlich besser aus“, bemerkte er. „Haben Sie sich wirklich nichts getan?“
Sie lächelte. „Nein, Sie können ganz beruhigt sein.“
Erst beim Lesen der Speisekarte war Sebastian aufgegangen, was alles hätte geschehen können. Fleur hätte sich etwas brechen können, man hätte sie erst nach Stunden gefunden, und eine Lungenentzündung wäre bei der Nässe und Kälte die logische Folge gewesen. Ihm wurde heiß und kalt.
Wie gut, dass er seiner spontanen Eingebung gefolgt war.
Kurzerhand hatte er nämlich seine Pläne geändert und nach Fleur gesucht.
Als er ihr die Karte reichte, hob Fleur den Kopf und sah ihm in die Augen. „Es tut mir aufrichtig leid, Ihren Terminkalender durcheinandergewirbelt zu haben“, entschuldigte sie sich.
„Machen Sie sich darüber nur keine Gedanken.“ Er lächelte. „Ich habe uns Rotwein bestellt, den mögen Sie doch am liebsten, oder?“
Das hatte er bemerkt? Fleur war überrascht. Sie beugte sich vor, um sich die Hände am Feuer zu wärmen. „Eigentlich trinke ich mittags keinen Alkohol, aber heute lasse ich mich gern zu einem Glas überreden. Vielen Dank, Sebastian.“
Charmant lächelte er ihr zu, und zum ersten Mal fiel ihr auf, was für ebenmäßige und weiße Zähne er hatte. „Da ich noch fahren muss, werde ich Ihrem Beispiel folgen und auch nicht mehr als ein Glas trinken. Joy wird die Flasche wieder verkorken und bis zur nächsten Gelegenheit für uns in den Keller stellen.“
Fleur wollte protestieren, wollte ihm sagen, dass er sich zu nichts verpflichtet zu fühlen brauchte, doch sie unterließ es. So peinlich es ihr gewesen war, ausgerechnet von ihm in ihrer misslichen Situation am Fluss entdeckt worden zu sein, so froh war sie jetzt über seine Hilfe.
Unerwartet beugte er sich vor und ergriff ihre linke Hand. „Hier sehen Sie, Fleur, Sie haben sich die Knöchel aufgeschürft! Haben Sie das denn gar nicht bemerkt?“
„Doch“, gab sie zu. „Einer solchen Lappalie schenke ich allerdings keine Aufmerksamkeit. Ein Indianer kennt keinen Schmerz, das ist einer der Grundsätze, nach denen mein Vater mich erzogen hat.“
Sebastian hielt es für unklug, seine Gedanken laut zu äußern. Stattdessen streichelte er mit dem Finger zärtlich über die kleine Blessur. Fleur erlaubte sich, die Berührung zu genießen, statt sofort die Hand zurückzuziehen.
Joy, die in diesem Moment mit dem Wein erschien, billigte die vertrauliche Geste aus tiefstem Herzen. Sebastian Conway hatte sich ihrer Meinung nach schon viel zu lange mit keiner Frau mehr eingelassen. Fleur jedoch schien ihn zu interessieren. Auch ihr war die junge Frau auf der Silvesterfeier angenehm aufgefallen – und die Blicke, mit denen Sebastian jede ihrer Bewegungen verfolgt hatte. Eine gute Wahl, dachte sie zufrieden.
4. KAPITEL
„Das ist immer das Schlimmste an Weihnachten.“ Pat, die oben auf der Leiter stand, reichte Fleur den letzten Baumschmuck.
„Ja, es ist immer traurig, wenn etwas Schönes zu Ende geht.“ Fleur kniete sich auf die Erde, um die bunte Lichterkette in den Karton zu packen. „Auf der anderen Seite fliegt die Zeit nur
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