Mit dir im Paradies auf Erden
mussten. Sebastian war allerdings nicht bei der Sache, er hatte schlechte Laune und stand sich selbst im Weg. Er war absichtlich viel zu früh aus dem Haus gegangen, nur um Fleur nicht bei der Abfahrt hinterherwinken zu müssen … Warum ihm das alles so viel ausmachte, wusste er nicht. Ohnehin erkannte er sich in letzter Zeit kaum wieder.
Fleur war eine Frau wie viele andere auch. Sie war schön, doch er kannte viele schöne Frauen, sie war hochintelligent, doch das waren etliche Kolleginnen auch – wo also lag sein Problem?
Fleur hatte seine Pläne durchkreuzt, vielleicht hatte ihn das so verärgert. Statt wie geplant zu bleiben, war sie Hals über Kopf abgereist. Und das, obwohl er ein Unterhaltungsprogramm genau nach Mias Wünschen für sie zusammengestellt hatte.
Er hatte sich auf weitere gemeinsame Unternehmungen gefreut, doch jetzt war ihm ein Strich durch die Rechnung gemacht worden. Das hatte ihn zutiefst verletzt – und weshalb? Weil er von Fleur angezogen wurde, wie die Motte vom Licht. Fleur war ihm gefährlich, das wusste er, und deshalb hätte er ihre Abreise eigentlich als Befreiung empfinden müssen. Weshalb tat er das nicht?
Frustriert trat er nach einem morschen Stück Holz, das vor seinen Füßen lag. Er wurde einfach nicht damit fertig, dass Fleur sich nicht im Geringsten für ihn interessierte – und das steigerte sein Verlangen, sein Verlangen, sie zu seinen Bedingungen zu besitzen. Es gehörte zu den Stärken – oder Schwächen – seiner Persönlichkeit, nicht eher zur Ruhe zu kommen, bis er das, was er haben wollte, auch bekam.
Jetzt war ihm Fleur entkommen, und er befürchtete, sie zurück nach Pengarroth Hall zu locken, würde nicht einfach sein.
„Was soll aus diesem Baum werden?“, fragte Frank nun schon zum dritten Mal.
Sebastian hob den Kopf. „Was hast du gesagt?“
„Dieser Baum hier.“ Frank schlug mit seinem Stock dagegen. „Meiner Meinung nach sollten wir ihn fällen.“
„Ja, natürlich … selbstverständlich“, antwortete Sebastian zerstreut. Frank, der Sebastian von klein auf kannte, betrachtete ihn kopfschüttelnd.
„Woran hast du nur gedacht, Junge?“, fragte er. „Du warst mit deinen Gedanken meilenweit entfernt.“
Sebastian murmelte eine Entschuldigung. Er war mit seinen Gedanken genau fünfzig Meilen entfernt gewesen, da musste Fleur nämlich mittlerweile sein.
Zuhause angekommen, machte Fleur sich erst einmal einen Tee und packte dann den Koffer aus. Dabei fiel ihr eine von Mias Jogginghosen in die Hände, die sie aus Versehen mitgenommen hatte. Egal, Mia würde sich sowieso bald melden, denn Mia wäre nicht Mia, wenn sie nicht einen ausführlichen Bericht über die Vorkommnisse in Pengarroth Hall erwarten würde.
Einen Vorfall würde Fleur ihrer Freundin auf alle Fälle verschweigen, nämlich den Albtraum und dessen peinliche Folgen. Davon würde Mia nie etwas erfahren, denn auch Sebastian würde es bestimmt nicht erwähnen.
Als Fleur ihre Strümpfe aus dem Koffer nahm, flatterte etwas zu Boden – Sebastians Taschentuch, das er ihr in der Kathedrale in die Hand gedrückt hatte. Wie war es zwischen ihre Sachen geraten? Warum hatte sie es Sebastian nicht zurückgegeben oder in die Wäsche getan?
Gedankenverloren hielt sie es an die Wange. Der Duft, den sie dabei einatmete, gehörte unverwechselbar zu Sebastian – sein herbes Rasierwasser und der Geruch nach Laub und Wald. Sie hob den Kopf und blickte durchs Fenster. Alles, was sie sah, war die Mauer des Nachbarhauses. Warum war sie bloß schon so früh zurückgekehrt?
Sie könnte noch immer in Cornwall sein, die herrliche Natur genießen, mit Benson eine kleine Runde im Park drehen und dann mit Sebastian gemütlich am Küchentisch sitzen und sich Pats Leckereien schmecken lassen.
Nein! Ärgerlich rief sie sich zur Ordnung. Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen, sie hatte ihren Wunschvorstellungen nicht nachgegeben, sondern der Wahrheit ins Auge gesehen.
Um sich abzulenken, schaltete sie den Fernseher ein. Doch das Programm vermochte sie nicht zu fesseln. Gelangweilt blickte sie sich in ihrer Wohnung um. Wie staubig alles war!
Die letzten Wochen vor ihrem Urlaub waren wegen der vielen Arbeit und der ständigen Weihnachtsfeiern so hektisch gewesen, dass sie kaum zu Hause gewesen war und daher auch nicht für Ordnung gesorgt hatte. Es wurde Zeit, sich die Ärmel hochzukrempeln und aufzuräumen, das war schon immer das beste Mittel gegen trübe Gedanken gewesen.
Das Wochenende
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