Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)

Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Mit dir in meinem Herzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Moriarty
Vom Netzwerk:
auf sie als die leidige Belinda. Trotzdem wollte sie nachsichtig sein. »Ja, unser Andrew ist leider von uns gegangen. Schade, Sie haben seine Beerdigung verpasst. Ist schon ein paar Wochen … oder vielmehr Monate her, seit …« Jetzt war es Evelyn, die krampfhaft nach den richtigen Worten suchte.
    »Oh nein, das ist okay. Ich wollte nur … einfach … also, mein Beileid aussprechen. Das heißt, es tut mir aufrichtig leid. Er war so ein netter Junge. Aber natürlich kein Kind mehr. Was nicht heißen soll, dass er nicht mehr jung war. Jung war er natürlich. Ich will damit nicht sagen, dass er sein Leben schon gelebt hätte oder so. Immerhin weiß ich … also, weil er so jung war … muss es verdammt hart gewesen sein. Ich meine, für Sie. Und natürlich für James.« Je umständlicher sich die Anruferin zu erklären versuchte, desto hastiger und wirrer klang sie. Es folgte eine peinliche Pause. Als sich Evelyn weigerte, die Stille auszufüllen, sagte das Mädchen eilig: »Gut, das war’s. Ich verabschiede mich.«
    DieAnruferin war deutlich gekränkt, womit sie wiederum Evelyns Mitgefühl erregte. »Wie heißen Sie?«, fragte sie milder gestimmt, bevor das Mädchen auflegen konnte.
    »Tania Stevens«, antwortete die Stimme am anderen Ende brav.
    »Gut, Tania … Vielen Dank für den Anruf. Nett, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.«
    Erleichterung wog schwer in der Stimme der Unbekannten, als sie herausplatzte: »Keine Ursache, ich bitte Sie. Wie gesagt, ich wollt Ihnen nur sagen, wie traurig ich bin … und entsetzt, verstehen Sie? Aber da verrate ich Ihnen vermutlich nichts Neues. Für Sie muss das natürlich ein noch größerer Schock gewesen sein. Ich habe ihn ja kaum gekannt. Also warum sollten Sie sich von fremden Leuten sagen lassen, dass es ein Schock gewesen sein muss, wo Sie doch …«
    »Tania?«, fiel Evelyn ihr harsch ins Wort.
    »Ja?«
    »Lassen Sie’s lieber, bevor Sie sich den Mund verbrennen.«
    »Stimmt. Also … dann tschüss?«, schloss sie unsicher.
    »Auf Wiederhören«, sagte Evelyn freundlich, aber bestimmt, um das seltsame Telefonat zu beenden.
    Sie legte den Hörer auf, blieb gegen die Wand gelehnt stehen, trommelte mit den Fingern auf die gläserne Platte des Dielentischs. Tania . Warum kam ihr der Name bekannt vor? Der Name löste gemischte Gefühle bei ihr aus, die sie sich nicht gleich erklären konnte. Bis allmählich eine längst vergessen geglaubte Episode aus der Vergangenheit Konturen annahm.
    Evelyn sah den dreizehnjährigen Andrew vor sich, wie er eines Nachmittags in seiner Schuluniform mit schiefsitzender Krawatte und schmutzig verschmiertem Gesicht ins Haus stapfte, die Schultasche quer durch das Wohnzimmer schleuderte, in seinem Zimmer verschwand und die Tür hinter sich zuknallte. Nur Sekunden später kam James durch den Vordereingang, deutlich um eine nichtssagende, unbewegliche Miene bemüht.
    »Was hast du mit deinem Bruder angestellt?«
    Evelyn traf ein wütender Blick. »Wie kommst du darauf, dass ich schuld bin?«
    »Weil nur du Andrew so wütend machen kannst.«
    »Ich hab ihn überhaupt nichts getan. Wollte nur helfen.«
    »Du hast ihm nichts getan«, verbesserte Evelyn.
    »Richtig. Das ist die Wahrheit!« James nickte zufrieden.
    Evelyn verdrehte die Augen. »Nein, so war das nicht gemeint … Egal. Erzähl mir einfach, was heute in der Schule los war.«
    »Kein Problem, Mum.« James fläzte sich auf die Couch und begann, die Schuhe von den Füßen zu kicken. »Zuerst hatten wir Förderstunde. Samantha Forresdale kam fünf Minuten zu spät. Und die alte Big W ist übergeschnappt, weil Samantha diese Woche jeden Tag zu spät gekommen ist. Und dann hat Samantha zu heulen angefangen – vor der ganzen Klasse . Mann, es war der Hammer. Aber dann ist ihre beste Freundin Linda aufgestanden, hat Big W eine fette Kuh genannt und gefragt, wie sie so gemein zu Samantha sein kann, wo doch Nanna gerade an diesem Morgen gestorben ist. Big W war total geschockt, weil Linda ›fette Kuh‹ zu ihr gesagt hat, und wollte wissen, wer in der hintersten Reihe ›Muhhh‹ gerufen hat – was im Übrigen mein Beitrag war –, und gleichzeitig war sie ganz schuldbewusst wegen der traurigen Samantha, hat ihr die Schulter getätschelt und gesagt: ›Schon gut‹, und war zum ersten Mal in ihrem Leben nett, und wir dachten alle, sie hätte den Verstand verloren oder so, bis Samantha aufgeschaut und gesagt hat: ›Danke, Mrs Warren, ist nur, dass ich den Fisch verdammt gernhatte.‹

Weitere Kostenlose Bücher