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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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Streiks meist erfolgreich sind. Politische Berater und Altbundeskanzler unterstützen diese Aktionen.
    Im Jahr zwischen seinem zweiten und dritten Geburtstag sind es schon 270 Ge- und Verbote und mehr als 500 Strafen. Nun wurde er schon mal für zehn Minuten in sein Zimmer verbannt, bei geschlossener, aber nicht abgesperrter Tür. Ich habe ihn aber bereits drei Mal angebrüllt, meine Frau noch kein einziges Mal. Ich bin auf dem besten Weg, für meinen Sohn mehr Gesetze einzuführen, als es bereits in Deutschland gibt.
    Natürlich gibt es wichtige Gesetze, wie etwa die Regeln beim Sockengolf (keine Rückhandschläge) oder beim Couchwrestling (kein Zwicken, Kratzen, Beißen, Schlagen oder Treten), es gibt lebensrettende Regeln (nicht vom Balkon springen) und Hinweise (auch nicht, wenn du deinen Superman-Anzug anhast), es gibt wirtschaftliche Einschränkungen (nicht mehr als drei Überraschungseier pro Woche), kulturelle Vorgaben ( Star Wars ist besser als Star Trek ) und gesellschaftliche Normen (sei immer nett zu Mädchen). Und es gibt noch weitere 270 Ge- und Verbote, die wahrscheinlich jeder kennt, der für einen drei Jahre alten Sohn verantwortlich ist.
    Es ist keine bunte Wiese mehr, über die mein Sohn da laufen darf. Seine Eltern haben an beiden Seiten ziemlich hohe Mauern errichtet – manchmal haben sie es getan, weil sie ihn in die richtige Richtung führen, manchmal, weil sie ihn vor Gefahren schützen möchten. Und manchmal haben sie es getan, um ein Mal am Tag ihre Ruhe zu haben und weil ihnen der Geduldsfaden gerissen ist. Sie schämen sich dafür, aber hin und wieder können sie nicht anders, als dem Kind etwas zu verbieten und es für eine Sache zu bestrafen, die nun wirklich nicht so schlimm gewesen ist.
    Ich bin keinesfalls der Vater, der ich immer sein wollte.
    Natürlich müssen sich die Eltern heutzutage auch am Ende jeder Wahlperiode messen lassen. In der Familienpolitik sind die Wahlen das Jahresgespräch im Kindergarten. Dort wird knallhart evaluiert: Wie ist es um die Entwicklung bestellt? Kann er, was er können sollte? Wird er von den anderen Kindern akzeptiert? Ist er womöglich ein Vollidiot, der seinen Kumpels das Leben zur Hölle macht?
    Tatsächlich: Ein Zweijähriger wird hierzulande beurteilt wie ein Hund bei einem Schönheitswettbewerb.
    In der Nacht vor dem Gespräch habe ich nicht geschlafen, ich bin sogar zwei Mal aufgestanden, weil ich dachte, mich übergeben zu müssen. War aber falscher Alarm. Nun weiß ich, wie sich Politiker am Abend vor der Bundestagswahl fühlen.
    Ich bin keinesfalls der coole Vater, der ich immer sein wollte.
    Das Gespräch verläuft jedoch locker und freundlich. Ich möchte nicht zu viel verraten, weil Sie das nun wirklich nichts angeht. Die Betreuerin hat jedoch explizit hervorgehoben, dass Finn »ein wohlerzogener junger Mann« ist, der »überaus beliebt in der Gruppe ist«.
    Ich war noch nie in meinem Leben so stolz – und weil ich so stolz bin, müssen Sie diese ungeheuerliche Selbstbeweihräucherung nun lesen.
    Die Erziehung unseres Sohnes ist an keinem Tag so verlaufen, wie wir das vorher geplant haben – doch anscheinend sind ein paar Dinge richtig gelaufen.
    Ich bleibe weiterhin in der Opposition und überlasse meiner Frau das Regieren. Lobbyisten und Berater dürfen sich weiterhin äußern, Altbundeskanzler müssen die Klappe halten. Und die Medien lesen wir nur, wenn sie seriöse Quellen benutzen. Dann klappt das schon.
    Das ist das weiße Blatt, und es wird bemalt in jeder Minute, die vergeht.
    Ein Kind braucht Grenzen, so wie die Bürger eines Landes Grenzen brauchen. Nur durch sinnvolle Gesetze entsteht die Freiheit, die ein Kind braucht, um zu einem anständigen und verantwortungsvollen Menschen heranzuwachsen. Die Eltern sind in der Pflicht, den Kindern nicht irgendwelche Verbote vor den Latz zu knallen, versehen mit dem Zusatz: »Das ist einfach so!« Auch Drohungen funktionieren nur in den seltensten Fällen, eine Erklärung ist meist produktiver. Doch das erfordert Geduld – und wer hat schon die Geduld, ein Kind zu erziehen?
    Welcher Gesetzgeber hat die Geduld, einen Bürger zu erziehen, wenn es mit einer Strafe so viel schneller und einfacher zu gehen scheint?
    Wenn das Kind nicht erkennt, was den Eltern wichtig ist, dann ist die Kultur in Gefahr.
    Wenn ein Bürger nicht mehr weiß, wofür der Staat steht, in dem er lebt, dann ist die Kultur in Gefahr.
    Es war am 8. Mai 2004, als ich mit meiner Frau nach der Bundesligapartie

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