Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
zwischen dem FC Bayern und Werder Bremen mit dem Zug von München nach Regensburg gefahren bin. Meine Frau und ich tragen Trikots von Werder Bremen, das gerade Deutscher Meister geworden ist. Im Großraumwagen sind exakt vier Werder-Fans und ungefähr 100 Anhänger des FC Bayern. Natürlich werden wir verkohlt und beschimpft und verlacht und mit Schmährufen bedacht – nun ja, es sind betrunkene Fans auf dem Weg vom Stadion nach Hause. Sie sind enttäuscht, weil ihr Verein gerade die Meisterschaft verspielt hat. Also beschimpfen sie uns ein bisschen. Manchmal ist es kreativ, manchmal plump, manchmal einfach nur doof. Es ist nicht unbedingt schön, aber warum sollte man sich darüber aufregen?
Dann entdecken wir einen Bayern-Fan, der meine Frau mustert. Ich freue mich zunächst, weil ich mir denke, dass der Mann zwar einen schrecklichen Geschmack hat, was Fußballvereine betrifft, aber anscheinend durchaus eine hübsche Frau erkennt, wenn er eine sieht.
Er dreht sich um zu seinem Sohn, den ich auf ungefähr sechs Jahre schätze. Er sagt: »Siehst du dieses Scheiß-Schlitzauge? Kann ja nichts anderes sein als ein Fan von Bremen! Vor solchen Menschen musst du dich fernhalten. Diese scheiß-verdammten Kack-Schlitzaugen. Können nix, aber Bremen-Fan sein!« Sein Sohn lacht und nickt – er hat offensichtlich verstanden, was seinem Vater wichtig ist im Leben.
Wir stehen geschockt da. Wir wehren uns auch nicht, denn vier gegen hundert macht nicht wirklich Sinn – und nur ein Bayern-Fan erklärt dem Vater, dass er bitte schön die Klappe halten möge.
Also sagt der Vater noch einmal: »Scheiß-Schlitzauge!«
Und der Sohn sagt: »Scheiß-Schlitzauge!«
Ich weiß nicht, was aus diesem Jungen geworden ist. Mögen die Götter ihn segnen, und lasst uns hoffen, dass in seinem Fall noch andere Menschen das Blatt bemalt haben als sein Vater.
Manchmal, da ist die Kultur auch dann in Gefahr, wenn Kinder wissen, was ihren Eltern wichtig ist.
Kapitel 32
Gesetzesbrecher VI: Der Schmuggler
Juan Dok-To ist nicht besonders gut gelaunt an diesem Morgen. Es ist kalt und windig, hin und wieder nieselt es. Das ist nicht gut fürs Geschäft, denn wer steigt schon aus dem Auto, wenn einem der Regen ins Gesicht geblasen wird und es sich anfühlt, als würden die einzelnen Tropfen festfrieren? Die meisten potenziellen Kunden fahren weiter zur Tankstelle oder zum Supermarkt und beachten die Bretterbuden nicht, vor denen Dok-To und seine Kollegen stehen und frieren.
Dok-To ist Vietnamese wie all seine Kameraden auf dem Asian Dragon Bazar – doch die deutschen Schmuggler, die jeden Tag hierherkommen, nennen es nur »Fidschi-Markt«. Die Fidschi-Inseln sind 7000 Kilometer von Vietnam entfernt, das ist die Strecke von New York nach Paris.
Im Internet und in Tourismusbroschüren wird der Markt angepriesen als traditioneller asiatischer Basar und legendäre Einkaufsstätte. In Wirklichkeit sind es 15 Bruchbuden, die bei einem Wetter wie an diesem Morgen einzustürzen drohen. In den Auslagen liegen Schlagringe herum und T-Shirts mit der Aufschrift »Böhse Onkelz«, davor stehen Gartenzwerge in jeder Größe und aller Hässlichkeit. Daneben liegen Säulen, mit denen man durchaus eine Miniaturausgabe des Weißen Hauses im eigenen Garten nachbauen könnte.
Ein paar Touristen drücken sich vor den Buden herum, so wie Menschen sich vor einem Bordell oder vor einem Erotik-Fachgeschäft herumdrücken. Sie sehen nach: Kennt mich einer? Soll ich wirklich? Zwei Mal hin und her, Blick auf die Uhr, kurzes Umsehen – und dann gehen sie hinein. Wegen Schlagringen oder T-Shirts oder Gartenzwergen ist keiner hier, die Menschen wollen andere Sachen kaufen: gebrannte CD s und DVD s, billige Zigaretten, harte Drogen.
»Heute kein guter Tag«, sagt Dok-To und blickt genervt.
Er weiß: Nur zehn Kilometer weiter, auf der anderen Seite der Grenze, da warten die deutschen Beamten und nehmen heute jedes Auto auseinander, das am Grenzübergang von Waldsassen aus Tschechien nach Deutschland kommt. Die Zöllner sind auf der Suche nach Zigaretten und CD s, vor allem aber wollen sie Crystal finden, die Droge, die sich derzeit am schnellsten in Bayern verbreitet.
Dok-To verkauft seit 15 Jahren irgendwelche Sachen in seiner Bretterbude, er ist in der Gegend bekannt. Tagsüber steht er auf dem Markt herum, am Abend halten ihm die Croupiers einen Platz in den diversen Casinos der Gegend frei. Seine Begleiterin spielt Roulette oder sitzt hinter ihm und tippt auf ihrem
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