Mit einem Bein im Modelbusiness
wie manche Fotografen, Stylisten und Make-up-Artists, die mir während meiner Anfangszeit über den Weg liefen und selbst noch am Beginn ihrer Karriere standen, ihr Ding durchgezogen und mittlerweile ein Toplevel erreicht haben. So etwas finde ich geil. Und es ist eine starke Motivation für mich, weil ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie auch diese Leute am Anfang hustlen mussten. Wenn du eine Entwicklung erkennen kannst und begreifst, dass es funktioniert, dass deren Traum in Erfüllung gegangen ist, dann überlegst du dir zweimal, ob du faul auf dem Sofa liegen bleibst oder doch zum x-ten Test-Shooting fährst.
Am Stuttgarter Flughafen angekommen, erkannte ich meinen Chauffeur schon von Weitem. Er stand am Ausgang der Empfangshalle und hielt ein großes Schild mit der Aufschrift » HUGO BOSS MODELS « in die Höhe. Wie war das noch mit Hollywood? Mit einem fetten Grinsen im Gesicht stolzierte ich auf ihn zu. Innerlich schrie ich mir vor Freude die Seele aus dem Leib: Ja, Mann! Ja, Mann, das bin ich. Ich bin ein HUGO BOSS -Model!
Mein Handy klingelte – Danzko, einer meiner besten Freunde, der vor ein paar Monaten nach Tansania gezogen war.
» Hey Hossi, was geht ab bei dir? Ich chille hier gerade in Simbabwe und zisch mir ’n kaltes Bierchen rein. Dachte, ich geb mal eben ’n Lagebericht durch.«
» Ey, Digger, du errätst im Leben nicht, was bei mir gerade abgeht. Ich bin in Stuttgart am Flughafen und laufe morgen ’ne Show für HUGO BOSS !«
» Wie, ’ne Show für HUGO BOSS ? Was machst ’n da? Hilfste beim Catering, oder was?«
» Nee, Mann. Ich bin da als Model.«
» Echt?«, prustete er laut ins Telefon. » Du? Model? Ha! Digger, is’ ja überkrass.«
» Yo, ich muss jetzt auch schon wieder Schluss machen. Mein Chauffeur wartet.«
» Ja, is’ klar, Digger, dein Chauffeur!«, lachte Danzko mich aus. » Meine Karawane zieht auch gleich weiter. Ich muss noch meinen Elefanten erwischen. Yo, Hossi: Halt die Gurke oben und immer schön Vollgas geben!«
» Hehe. Du auch, mein Bester!«
Ich begrüßte den Chauffeur mit einem Nicken und höflichen » Guten Tag« und stellte meine Tasche ab. Immer mehr Models kamen dazu und sammelten sich. Es war schon seltsam, denn kaum jemand lachte. Niemand sprach miteinander. Die meisten telefonierten oder spielten mit ihren iPhones. Man ignorierte sich, so gut es ging. Als mich einer der Jungs länger als zwei Sekunden anschaute, ging ich einen Schritt auf ihn zu und sagte freundlich: » Hey, wo kommst ’n du her? Ich bin Mario aus Hamburg.«
» What?«
» Hi, I’m Mario from Hamburg.«
» Oh, good for you.«
Ende der Unterhaltung.
In einer anderen Welt
Ich hatte meine Lektion gelernt: Erstens, hier wird Englisch gesprochen. Zweitens, they don’t give a shit about you! Ich war plötzlich in einer Welt, von der ich keine Ahnung hatte, wie sie funktionierte. Wie gerne hätte ich Peter angerufen, um zu fragen, wie ich mich verhalten sollte, aber da musste ich schon alleine durch. Im Shuttle fingen die Models dann doch an, miteinander zu reden – wobei, reden konnte man das eigentlich nicht nennen. Sie drückten auf einen Knopf, und die Show begann. Vorhang auf:
» Ich war Anfang der Woche in New York und habe diese und jene Show gemacht und danach noch das Shooting für blablabla und heute Morgen noch schnell ein Cover in Paris für bliblablu. Oh my fuckin’ god, total stressig alles. Aber lalelu war wie immer total süß zu mir.«
Ich verstand kein einziges Wort. Von den Designern und Labels, die durch das Shuttle schwirrten, hatte ich noch nie etwas gehört, und je mehr Namedropping diese Models betrieben, desto unsicherer wurde ich. Hoffentlich spricht mich niemand an, dachte ich, und bitte fragt mich nicht, wo ich letzte Woche gewesen bin. Die Wahrscheinlichkeit war zwar gering – dafür waren die Herrschaften viel zu sehr auf sich selbst fokussiert. Trotzdem, was hätte ich denn antworten sollen? Die Wahrheit? Wie das wohl geklungen hätte: » Also vorgestern habe ich als Azubi beim Norddeutschen Rundfunk noch Akten sortiert und Kaffee gekocht, aber hey, immerhin habe ich schon drei Test-Shootings hinter mir.« Nein, nein, nein! Ich wollte mich auf keinen Fall blamieren und hielt mich schön bedeckt. Meine Devise lautete, um Gottes Willen nicht auffallen. Ich war noch zartes Frischfleisch, aber das musste ich den Geiern ja nicht sofort auf ihre hübschen Nasen binden.
Von meinem Booker hatte ich vor dem Abflug noch die Handynummer von
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