Mit einem Bein im Modelbusiness
ist, dass es immer so lange dauert, bis sie erscheinen. Vom Shooting bis zur tatsächlichen Veröffentlichung vergingen über vier Monate, und ich habe jeden Tag davon einzeln gezählt. Alle zwei Wochen stand ich am Kiosk um die Ecke und ging dem armen Verkäufer auf die Nerven.
» Wissen Sie schon, wann genau das Heft kommt? Und können Sie das auf jeden Fall bestellen und für mich reservieren, ja? Am besten gleich drei Stück, oder fünf, nein, doch lieber zehn!« Ich wurde echt zu meinem größten Fan.
Der amerikanische Stand-up-Comedian Aziz Ansari war einmal bei David Letterman eingeladen und erzählte eine lustige Geschichte über Kanye West. Manch einer wird bestimmt gleich den Kopf schütteln und sagen: » Was für ein selbstverliebter Typ!«, aber ich konnte das irgendwie nachvollziehen.
Eines Abends besuchte Kanye West einen Auftritt von Aziz in Los Angeles. Sie tauschten Nummern, woraufhin ihn Kanye wenig später in einen Nachtclub einlud. Als Aziz dort mit einem Freund auftauchte, sah er schon Kanye und Jay-Z an einem Tisch sitzen – umringt von wunderschönen Frauen und Wodka trinkend. Kurz darauf machte der Club zu, und Kanye schlug vor, die kleine Party in seiner Villa fortzusetzen. Aziz traf als Erster dort ein und fand Kanye West in seinem Wohnzimmer vor, wie er so heftig zu den Beats von 808’s and Heartbreaks wippte, als hörte er das Album gerade zum ersten Mal. » Hey, Kanye, eine Frage«, meinte Aziz verwundert. » Sitzt du wirklich in deinem eigenen Haus und nickst mit deinem eigenen Kopf zum Takt deiner eigenen Musik?« Und Kanye antwortete cool: » Yeah. Weißt du, diese Beats sind einfach der Wahnsinn!«
Ganz ehrlich: Ich würde das genauso machen. Man kann doch stolz sein auf die Sachen, die man in seinem Leben erreicht hat. Nur Kanye weiß, welche Hürden er überwinden musste, um dieses Album schließlich in seinen Händen zu halten. Jedes Lied erinnert ihn womöglich an einen Kampf, den er auf dem Weg nach oben austragen musste. Deswegen soll er ruhig in seinem Wohnzimmer sitzen und sich selbst feiern, auch wenn diese Vorstellung dem Rest der Welt wahrscheinlich lächerlich erscheinen mag.
So weit wie Kanye West war ich zwar noch nicht, aber ich hatte wieder ein neues Level erreicht. Mit diesen Fotos in meinem Buch, dachte ich, kann ich bald auch an größere Türen klopfen.
Ich war zu dem Zeitpunkt noch völlig auf den deutschen Markt begrenzt, da ich wegen meiner Ausbildung ja nicht reisen konnte. Paris, Mailand, New York, London, Tokio – das sind alles On-Stay -Märkte, wo du als Model vor Ort sein musst. Dort wollen einen die Kunden, bevor sie dich buchen, fast immer noch einmal persönlich sehen.
Der deutsche Markt funktioniert anders. Hier gibt es fast nur Direct Bookings, und dafür reichen manchmal, wie man bei HUGO BOSS gesehen hat, schon ein paar Fotos und ein Video aus.
Ich stand also in der Agentur neben Christian und versuchte unser nettes Gespräch über meine neue Haarfarbe langsam, aber sicher auf die geschäftliche Seite zu lenken.
» Sag mal, wie viel gibt’s denn jetzt eigentlich dafür?«, fragte ich vorsichtig.
» Wofür?«
» Na, für das FELD -Shooting!«
» Mario, wie oft denn noch?«
Christian legte den Stift beiseite, mit dem er gerade in sein Notizbuch geschrieben hatte, und lehnte sich in seinen Sessel zurück.
» Du stehst noch am Anfang deiner Karriere. Wieso redest du immer über Geld? Du hast gerade High-Fashion-Fotos in einem der besten Magazine Deutschlands bekommen! Du hast eine richtige Veröffentlichung!«
» Ja genau«, unterbrach ich ihn. » Ich habe eine richtige Veröffentlichung! Dass es für Tests keine Kohle gibt, kann ich ja verstehen, logisch. Aber wenn ein Magazin, keine Ahnung, fünf Seiten mit meinen Fotos druckt, dann muss ich doch dafür bezahlt werden, oder nicht?«
» Mario, das ist ein Hochglanz-Magazin. Die zahlen nichts!«
» Wie, Hochglanz-Magazin? Ich dachte, gerade die zahlen voll viel?«
» Die Realität sieht leider anders aus, mein Junge.«
» Verstehe«, sagte ich enttäuscht und machte mich mit hängenden Schultern wieder auf den Nachhauseweg.
Wann bekommt man denn mal Kohle in diesem Business?, grübelte ich, als ich den Bus Richtung Schlump nahm. Das kann doch nicht ewig so weitergehen! Vor meinem geistigen Auge sah ich all die Luxuskarossen meines Agenturchefs an mir vorbeifahren und verstand die Welt nicht mehr. Wie soll man denn davon leben?
Für die HUGO BOSS -Show bekam ich ein Honorar von
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