Mit einem Bein im Modelbusiness
ich in den letzten zwölf Monaten als Model schon großartig erreicht? Ich wurde für eine Show und eine Fotostrecke gebucht. Das war dann auch alles. Folgeaufträge? Pustekuchen! Hatte ich Geld verdient? Nicht der Rede wert! War das laut meinem Booker der normale Weg? Ja! Wollte ich mich damit abfinden? Scheiße, nein!
Ich war total verunsichert. Lag es vielleicht doch an meiner Behinderung, dass ich nicht vorwärtskam? Waren meine Ziele wirklich zu hoch gesteckt oder gar unrealistisch?
» Wenn es auf dem üblichen Weg nicht funktioniert, müssen wir eben kreativ werden«, versuchte ich die Leute aus meiner Agentur in unzähligen Gesprächen immer wieder neu zu motivieren, aus ihrem gewohnten Denkschema auszubrechen. » Ich möchte nicht auf etwas warten, das eventuell eines Tages passieren könnte. Lasst uns lieber gemeinsam überlegen, wie wir den üblichen Rahmen sprengen können.« Ich rannte mit meinen Vorschlägen keine offenen Türen ein. Einen Plan B gab es nicht.
Warten und Hoffen
Models, die nach ihrer » Probezeit« nicht viel vorzuweisen haben und eigentlich noch aufgebaut werden müssten, bekommen fast nie eine Chance. Wer kein Geld einbringt, wird fallengelassen. Da geht es im Modelbusiness nicht anders zu als in der Musikbranche oder im Literaturbetrieb. Die Agenturen holen sich zehn, fünfzehn neue Gesichter ins Boot, und wenn nur eines davon voll durchstartet, hat es sich wirtschaftlich für sie schon gelohnt. Wenn du also genug Models unter Vertrag hast, die richtig Kohle nach Hause bringen, dann versuchst du diese Kühe natürlich so lange zu melken, wie es geht, und wirst deine Zeit nicht mit dem mühseligen Aufbau neuer Gesichter vergeuden. Aus der Perspektive der Agentur ist das völlig nachvollziehbar und auch gar nicht weiter verwerflich. Man sollte das als Frischling allerdings wissen. Wenn ein Kunde also nach einem bestimmten Typ fragt, wird der Booker, bevor er dich anbietet, immer erst seine besten Pferde aus dem Stall lassen, weil er für sie eben die meiste Provision kassiert. In den ersten Monaten dachte ich noch, dass sich mein Blatt schon irgendwann von selbst wenden würde. Ich wusste ja, wie sehr Peter sich hinter den Kulissen immer wieder für mich einsetzte. Das gab mir Hoffnung. Doch dann fanden in der Agentur massive Veränderungen statt. Mein Booker war auf einmal nicht mehr da, und auch Peter verließ den Laden, um ab sofort selbstständig zu arbeiten. Das war ein Schock für uns alle, denn mit seinem Abgang gerieten auch die New Faces immer weiter ins Hintertreffen. Von den dreißig Jungs, deren Profile anfänglich auf der Website präsentiert wurden, gab es plötzlich die Hälfte nicht mehr. Ich fragte mich, wann ich wohl an der Reihe war.
Unten an der Kreuzung sprang die Ampel wieder auf Rot, und die Autos blieben stehen. Ich nahm ein Glas aus dem Regal und schenkte mir von dem Rotwein ein, der noch vom Abend vorher auf dem Tisch stand. Viel spuckte die Flasche allerdings nicht mehr aus. Während ich den ersten Schluck trank, erinnerte ich mich an Peters Worte, die er mir während eines unserer vielen Telefonate mit auf den Weg gab. » Wenn du wirklich Erfolg haben willst«, sagte er, » dann stelle dir diese vier Fragen: Erstens: Warum? Zweitens: Warum nicht? Drittens: Warum nicht ich? Viertens: Warum nicht jetzt?«
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Es gibt so viele Menschen, die es geschafft haben, die ihren Nachteil in einen Vorteil umzuwandeln wussten, obwohl niemand auch nur einen Pfifferling auf sie gab. Stephen J. Cannell zum Beispiel litt unter schwerer Legasthenie. Sein Traum: Schriftsteller. Seine Chancen: null. Da er wegen seiner Leseschwäche keine Romane schreiben konnte, verfasste er schließlich Drehbücher, unter anderem für Columbo, 21 Jump Street und Mission: Impossible. Nebenbei erfand er noch das A-Team und wurde so zum Multimillionär. Hätte er den üblichen Weg genommen, den sein Krankheitsbild für ihn vorsah, wäre er vielleicht Parkplatzwärter in einem Einkaufscenter irgendwo in Pasadena geworden, aber niemals eine Hollywood-Legende.
Die Geschichte von Eminem ist noch krasser. Er wurde von einer drogenabhängigen Mutter in einem Wohnwagenpark in Detroit auf die Welt gebracht und als Kind misshandelt. Sein Vater verließ die Familie, als er drei Jahre alt war, und in der Schule bekam Eminem wegen seiner Hautfarbe einmal so harte Prügel, dass er mit lebensbedrohlichen Hirnblutungen ins Koma fiel und fast gestorben wäre. Er schmiss
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