Mit einem Bein im Modelbusiness
Obstkorb und bekam von meiner neuen Gang erst einmal genau erklärt, worauf ich als Greenhorn in Mailand alles zu achten hatte. Ohne diesen Crashkurs wäre ich echt aufgeschmissen gewesen. Am Flughafen hatte ich mir extra noch einen Stadtplan gekauft, den ich leider direkt wieder entsorgen konnte.
» Das Ding kannst du vergessen«, sagte Steward nach einem kurzen prüfenden Blick. » Die für dich wichtigen Orte sind da nicht drauf. Den ganzen Touristenschrott brauchst du nicht. Allerdings wirst du für Shootings auch in die Randbezirke fahren müssen. Warte, ich suche dir gleich im Internet die passende Karte raus. Easy!«
» Und hast du dir schon eine italienische SIM -Karte für dein Handy geholt?«, fragte José, während er in seinem Müsli rührte.
» Nee, daran hab ich noch überhaupt nicht gedacht«, sagte ich.
» Lass mal«, meinte Steward. » Die könnte er vielleicht in der Agentur bekommen. Die haben da oft welche rumfliegen.«
» Stimmt«, nickte Rick.
» Was braucht er noch?«, fragte Steward in die Runde.
» Eine Fahrkarte«, sagte José.
» Yo, die hab ich«, lachte ich stolz.
» Zeig mal her!«
Ich ging in mein Zimmer und holte das Ticket aus meinem Geldbeutel, das ich mir vor meiner Abreise im Internet bestellt hatte.
» Oh Mann, Mario«, schüttelte Steward nur mit dem Kopf. » Völlig wertlos!«
Ich erfuhr, dass ich für das blöde Ticket zum einen viel zu viel bezahlte hatte und es zum anderen nicht mal alle Bereiche abdeckte, in denen ich mich bewegen würde. Es landete sofort mit dem Stadtplan im Mülleimer.
Na, super! Da bereitest du dich – typisch deutsch – akribisch auf alles vor, um an Ort und Stelle ja keinen Stress mehr zu haben, nur um festzustellen, dass du alles falsch gemacht hast. Die Südländer sind in dieser Hinsicht viel gelassener.
» Cheer up, Mario«, lachte mich José für meine Schusseligkeit aus, » wir zeigen dir jetzt, wie du zur Agentur kommst. Und am Bahnhof besorgen wir dir als Erstes ein Monatsticket für Studenten. Das kostet 30 Euro. Du musst der Frau am Schalter nur sagen, dass du Student bist, dann klappt das.«
» Und wenn ein Mann am Schalter sitzt?«, fragte ich.
» Dann gehst du eben zum nächsten Schalter, wo eine Frau sitzt, verstehst du? Be a nice guy!«
» Ich verstehe«, grinste ich zurück.
» Und wenn sie dich nach deinem Studentenausweis fragt, sagst du einfach, du seist gerade erst angekommen und noch total durcheinander. Am besten, du lächelst noch süß und unschuldig. Das klappt immer. Keine Sorge!«
Die Jungs nickten bestätigend.
» Außerdem sind wir ja dabei«, meinte Rick.
» Du auch?«, sagte ich in die Richtung von Steward.
» Nein, ich werde gleich abgeholt.«
» Oh, du hast einen Fahrer?«
» Heute ja«, lachte er.
» Okay boys«, klatschte José in die Hände. » Dann lasst uns langsam aufbrechen. Muss von euch noch einer ins Bad, oder kann ich rein?«
Der Teufel trägt Prada
Ich musste an Peter denken. Vor meinem Abflug hatte er mir noch einen Ratschlag gegeben. » Wenn du das erste Mal die Agentur betrittst«, sagte er, » sieh zu, dass du so geil wie nur irgend möglich aussiehst. Der erste Eindruck entscheidet! Du musst durch die Tür kommen und leuchten. Geh am Abend früh ins Bett, keinen Alkohol, keine Drogen, sieh gesund aus und denke positiv! Denn auch wenn du das nicht glaubst, man kann positive Energie fühlen. Zieh sie in deinen Bann und zeig ihnen, was du kannst!«
Ich war total aufgeregt. Modelagenturen sind ja ohnehin schon sehr dekadent eingerichtet, um Eindruck zu schinden und einen auf dicke Hose zu machen, aber was ich in den kommenden Wochen in Mailand alles zu sehen bekam, toppte meine Vorstellung noch um Längen. José, Rick und ich zogen los und organisierten mir die Fahrkarte, was tatsächlich problemlos klappte. Mit der Straßenbahn fuhren wir weiter bis zur Station Magenta Santa Maria delle Grazie und liefen die Via Bernardino Zenale hinunter, vorbei an einem protzigen Ferrari-Händler, bis wir nach ein paar Minuten die Via San Vittore erreichten, die Straße, in der unsere Agentur lag. Es war kaum zu übersehen – wir befanden uns im teuersten Viertel der Stadt! Als Peter damals meinte, er habe mir in Milano eine Agentur besorgt, konnte ich das noch gar nicht richtig einordnen. Naiv, wie ich war, dachte ich: Okay, Peter hat mich halt irgendwo untergebracht. Ist cool, aber jetzt auch nicht der Megahammer, schließlich muss ich ja trotzdem alles selbst bezahlen. José und Rick
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