Mit einer Prise Glück und Liebe
Süßigkeiten und Haarspangen und sonstigen billigen Krimskrams. Lily hat ihr Knieschützer für die Gartenarbeit geschenkt, und Katie hat es so hingedreht, dass Ramona glaubt, sie hätte sie von ihrem Trinkgeld aus der Bäckerei erstanden. Sie hatte zwar ein schlechtes Gewissen deswegen, aber dann dachte sie an ihre Mutter, die ganz allein in der Entziehungsklinik herumhängt und jeden Tag auf eine Mail von Katie wartet.
Jeder Mensch hat jemanden, auf den er zählen kann – manche sogar gleich mehrere. Katies Mom hat nur Katie. Eines Tages, als Ramona ein Päckchen für Sofia packt, fragt Katie, ob sie vielleicht dasselbe auch für Lacey tun könnten. Ramona sieht sie traurig an. »Klar«, sagt sie. Gemeinsam suchen sie Sachen zusammen, die eine Frau im Knast gebrauchen könnte (»Das ist kein Knast«, beharrt Katie. »Okay, dann eben eine Klinik«, gibt Ramona zurück) – eine Seife mit Blütenduft, mehrere Shampoofläschchen, Mini-Papiertaschentücher, Kaugummi und Bonbons. Als sie das Päckchen aufgeben, legt Ramona Katie die Hand auf die Schulter. »Du hast ein großes Herz, Schatz. Und du bist eine sehr gute Tochter.«
»Wieso redet mein Dad nicht mit mir, was glaubst du?«, fragt Katie auf dem Heimweg. Es ist früher Nachmittag, und die Luft ist von herrlichem Rosenduft erfüllt. Es ist wunderschön hier, und Katie liebt die Gegend sehr. Vielleicht sogar mehr als jeden anderen Ort, an dem sie je gewohnt hat.
Aber genau deswegen kommt sie sich wie eine Verräterin vor. Sie spürt Wut in sich aufsteigen, wie es in letzter Zeit häufiger passiert. Manchmal wird sie ohne ersichtlichen Grund stocksauer. Da sie keinen Grund dafür hat, massiert sie die Stelle zwischen den Brauen, wo die Wut zu sitzen scheint, und wartet darauf, dass Ramona antwortet.
»Ich bin sicher, er konzentriert sich voll und ganz darauf, wieder gesund zu werden«, sagt sie. »Manchmal dauert es seine Zeit, bis ein Soldat mit seiner Verwundung klarkommt.«
»Viele Soldaten bringen sich sogar um, wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen werden.«
Ramona wirft ihr einen flüchtigen Blick zu. »Wie kommst du denn darauf?«
Sie zuckt die Achseln. »In der Schule redet man über so was. Ich kenne zwei Mädchen in der Militärbasis in El Paso, deren Eltern sich umgebracht haben, nachdem sie von einem Einsatz zurück waren. Eines der Mädchen war gerade frisch aus dem Krankenhaus entlassen worden.«
Ramona schweigt lange Zeit. »Dein Dad hat eine Menge, wofür es sich zu leben lohnt. Dich. Und Sofia und das Baby.«
»Ja«, sagt Katie wenig enthusiastisch.
»Freust du dich denn gar nicht auf das neue Baby?«
»Keine Ahnung, es ist irgendwie gar nicht real.« Sie tritt einen Stein weg. »Außerdem leben wir ja nicht zusammen oder so.« Es versetzt ihr einen Stich in der Brust, es laut auszusprechen.
»Wahrscheinlich ginge es aber, wenn du das wolltest.«
Sie nickt. »Aber meine Mom braucht mich.«
»Was ist mit deinem Dad?«
»Er hat ja Sofia und das neue Baby. Meine Mom hat niemanden.«
Inzwischen haben sie die Bäckerei erreicht. Katies Dahlien drängen sich in farbenfrohen Grüppchen an dem alten schmiedeeisernen Zaun entlang. Sie sehen wie Frauen in bunten Blusen aus, die die Köpfe recken und fröhlich lachen. Katie streicht über ihre Lieblingsdahlie, eine rote mit gerollten Blättern namens Figaro.
»Na ja«, meint Ramona. »Du brauchst dich ja nicht sofort zu entscheiden.«
Katie weiß, dass Ramona sich wünscht, dass sie zu Sofia, ihrem Dad und dem neuen Baby zieht, was bestimmt nett wäre, aber allein bei der Vorstellung hat sie so ein schlechtes Gewissen, dass sie kehrtmacht und ins Haus läuft.
Ramona hat noch einiges zu erledigen. Katie setzt sich hin und schreibt ihrer Mutter einen Brief, so wie sie es manchmal für ihre Freundin Madison in El Paso tut, auch wenn Madison bisher keinen einzigen beantwortet hat.
Liebe Mom,
hier ist ein bisschen Geld. Tut mir leid, dass es nicht mehr ist, aber ich muss vorsichtig sein, sonst schöpfen sie Verdacht und lassen mich überhaupt nicht mehr mit dir reden.
Ich hoffe, dir gefällt das Päckchen, das bald bei dir ankommen sollte. Wir waren nicht sicher, was dir gefällt, deshalb haben wir einfach genommen, wovon wir dachten, dass du dich darüber freust.
Katie hält inne und streicht mit dem nackten Fuß über Merlins weiches Rückenfell. Er seufzt und schläft wieder ein. Es fällt Katie schwer, den richtigen Ton zu treffen. Sie will nicht zu glücklich klingen, deshalb
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