Mit einer Prise Glück und Liebe
sich etwas bewegt, ein Kopf oder eine Gestalt, doch sie ist bereits wieder verschwunden. Katie muss schon auf den Beinen sein. Lächelnd gehe ich ins Haus und die Treppe hinauf.
Die Küche ist leer. Ich höre Merlin im oberen Stockwerk jaulen. Mit einem plötzlichen Anflug von Besorgnis laufe ich die Treppe vollends hinauf und bleibe atemlos vor Katies Tür stehen. Sie ist geschlossen. Für den Bruchteil einer Sekunde verharrt meine Hand über der Türklinke – aus Angst vor dem, was ich gleich entdecken werde.
Merlin, der mich gehört hat, bellt laut, als ich die Tür öffne. Katies Bett ist leer. Der Hund ist auf dem Balkon eingesperrt. Ich durchquere das Zimmer, um ihn hereinzulassen. Jaulend springt er mir entgegen, leckt meine Hand und stürmt zur Tür. Auf dem Bett liegt ein Zettel. »Warte, Merlin.«
Er gibt einen eindringlichen Laut von sich. »Okay, okay.« Ich schnappe den Zettel und laufe zur Tür.
Mach dir keine Sorgen, Ramona. Ich musste es tun, aber es ist alles in Ordnung.
O mein Gott. Was hat das zu bedeuten? Wo ist sie?
Merlin steht bereits am Fuß der Treppe und wartet auf mich, doch statt nach hinten in den Garten zu gehen, will er unbedingt, dass ich ihm zur Haustür folge. Vermutlich will er Katie suchen.
»Ich weiß nicht, wo sie hin ist, Merlin. Warte.«
Er gibt ein gequältes Bellen von sich, tritt neben mich und nimmt behutsam meine Hand zwischen die Zähne, ehe er einen Satz rückwärts macht. Was bleibt mir anderes übrig, als die Leine zu holen und ihm zu folgen?
Nach etwa zwei Blocks dämmert mir, dass er ihr nachlaufen wird, und wenn es bis zum Ende der Welt ist, aber das geht leider nicht. »Warte.« Ich ziehe ihn an der Leine zurück, sehe auf die Uhr und mache kehrt. Er stemmt die Füße in den Boden und sieht mich ernst an, ohne sich vom Fleck zu rühren.
Ich denke an all die Päderasten, Kindesentführer und Vergewaltiger, die auf der Welt herumlaufen und die sie sich ohne Erbarmen schnappen würden. Vielleicht weiß Merlin ja etwas, wovon ich nichts weiß. Doch als ich ihm wieder die Führung überlasse, zieht er mich in Richtung Colorado Avenue, wo er stehen bleibt, nach links und rechts sieht und ein leises, jämmerliches Wimmern ausstößt. Er lauscht eindringlich, macht einen Schritt nach rechts, bleibt stehen. Und sieht mich an.
Ich stehe da, noch immer in Küchenclogs und Kochjacke, beuge mich hinunter und lege die Arme um seinen Hals. »Ist schon gut.« Ich nehme die Leine und kehre um. »Wir werden sie finden, das verspreche ich. Okay?«
Ein ernster Ausdruck liegt in seinen whiskeyfarbenen Augen, und er scheint zu nicken.
Wir gehen in die Bäckerei zurück. Die ersten Kunden betreten oder verlassen den Laden. Es ist beinahe ein Schock, zu sehen, dass das Geschäft wie gewohnt läuft. Ich führe Merlin ums Haus herum und lasse ihn in den Garten gehen, wo er sich vor die Bank legt und leise vor sich hinjault.
Dann gehe ich in mein Büro und rufe Jimmy herein. »Ich habe ein Riesenproblem. Es sieht ganz so aus, als wäre Katie weggelaufen, und ich muss sie finden. Aber wenn wir die Bäckerei schon wieder schließen, gehen wir den Bach runter. Kannst du die Stellung halten?«
»Klar.« Sie zuckt die Achseln. »Wenn es Ärger gibt, rufe ich einfach Cat an, okay?«
»Äh, nein. Ich werde für eine andere Lösung sorgen. Aber trotzdem danke. Du bekommst auch eine Lohnerhöhung. Irgendwann.«
Sie reckt die Daumen. »Geh und such nach deinem Mädchen.«
Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo sie stecken könnte. Würde sie versuchen, sich den ganzen Weg bis nach San Antonio zu ihrem Vater durchzuschlagen? Oder ist sie nach El Paso zurückgefahren? Sofia ist die Erste, die ich anrufen muss, aber es widerstrebt mir, ihr noch eine weitere Sorge aufzubürden. Schließlich soll das Baby jeden Tag zur Welt kommen.
Als Erstes muss ich es anders versuchen. Ich gehe in Katies Zimmer und suche nach ihrem Notizbuch, aber es ist verschwunden – offensichtlich hat sie es mitgenommen. Ich finde nichts, bis auf einen Brief von ihrer Freundin Madison auf rosa Briefpapier, in dem sie von einem Jungen und einem neuen BH schreibt, den sie sich kaufen will. Ansonsten gibt er nichts her. Immerhin stehen ein Name und eine Adresse darauf, so dass ich es notfalls dort versuchen kann.
Als Nächstes muss ich ihre Mails überprüfen. Natürlich ist ihr Account mit einem Passwort gesichert. Ob ich es herausfinde? Ich gebe MERLIN ein.
Der Account öffnet sich.
Ich finde die Mails von
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