Mit einer Prise Glück und Liebe
gemeldet hat, habe ich mich oft gefragt, ob ich mir unsere gegenseitige Anziehungskraft nur einbilde. Aber das ist nicht so. Er verrät sich ebenso wie ich selbst. Durch seine Augen, die auf meinen Brüsten, meinen Schenkeln, meinen Lippen ruhen. Durch die Art, wie er schluckt, als ich mir das Haar aus dem Gesicht streiche. Und durch die Art, wie er mir in die Augen sieht – nicht lange genug, dass es aufdringlich wirken würde, aber lange genug, um eine Verbindung herzustellen, einen Funken zu entzünden.
»Ich muss noch etwas arbeiten«, sagt er. »Wir sehen uns am Sonntag.«
»Ja.« Mehr bringe ich nicht heraus.
SIEBENUNDZWANZIG
Sofias Tagebuch
San Antonio, 3. Juni
Oscar ist aus dem Koma aufgewacht! Es ist noch zu früh, um jemanden anzurufen, deshalb schreibe ich es nieder.
Ich konnte nicht schlafen und bin mitten in der Nacht in sein Zimmer gegangen. Er lag wie gewohnt in seinem Bett. Die Maschinen piepten und blinkten und klickten. Es war so deprimierend. Drei Wochen waren seit dem Unfall vergangen, und es hätte sein können, dass er das Bewusstsein nie mehr wiedererlangt. Ich wusste, dass ich mit jemandem würde reden müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, was ich in diesem Fall tun sollte.
Oma Adelaide hat immer gesagt, es sei eine Sünde, in einer schweren Stunde zu verzweifeln (obwohl ich glaube, dass auch sie manchmal verzweifelt war, was ein Beweis dafür ist, dass wir alle nur Menschen sind – und immerhin hat sie es nie geschafft, die Beziehung zu ihren beiden Töchtern in Ordnung zu bringen, deshalb hatte sie wohl allen Grund dazu. Meine Mutter hat sich große Mühe gegeben, ihren Einfluss geltend zu machen und an diesem Zustand etwas zu ändern, aber weder Oma noch Tante Poppy haben ihr je verziehen, was auch immer sie ihnen in ihrer Jugend angetan hat. Es ist wirklich traurig).
Aber zurück zum Thema. Verzweiflung. Eine Sünde. Ich darf nicht verzweifeln – das sage ich mir die ganze Zeit. Ich muss optimistisch bleiben. Für Oscar, für das Baby, in erster Linie aber für mich selbst. Ich bin diejenige, die den Ton angibt. Ich will nicht lügen – es ist sehr schwer, aber genau dafür ist man doch füreinander da, oder nicht? Würde ich in diesem Bett liegen, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, würde ich mir verzweifelt wünschen, Oscar würde neben meinem Bett sitzen, mit mir reden, mir Witze erzählen und mir beteuern, dass er mich liebt.
Ich hatte Katies Mail ausgedruckt und trat an sein Bett. »Guten Morgen, Oscar«, sagte ich. »Heute bin ich früh dran, aber das Baby hat die ganze Zeit getreten, und ich konnte nicht schlafen.«
Ich stand mit der Mail in der Hand da, nippte an meinem Kaffee und rieb einen Fuß des Babys, der sich unter meiner Bauchdecke wölbte. »Es geht schon wieder los, Oscar! Der reinste Kickboxer.«
Manchmal ist es schwer, immer so zu reden, als könnte er mich hören. Ich komme mir wie eine Idiotin vor. »Es klingt, als wäre Katie sehr glücklich bei meiner Mutter. Sie hört sich inzwischen richtig erwachsen an«, sagte ich. »Hör zu.«
Ich las ihm also die Mail vor und versuchte, so viel Begeisterung in meine Stimme zu legen, wie ich nur konnte.
Und als ich fertig war – nichts.
Ich setzte mich auf den Stuhl. Und, ja okay, ich weinte ein bisschen, weil ich so Heimweh hatte und traurig war und in diesem Moment so gern mit meiner Mutter in der Küche gesessen und ihr beim Brotbacken zugesehen hätte. Oder mit Oma in ihrem Wahnsinnsgarten, von dem Katie so begeistert ist.
In diesem Augenblick hörte ich ein Stöhnen. Es kam vom Bett. Ich sprang auf. »Oscar?«, schrie ich.
Er gab ein weiteres Geräusch von sich, das zwischen all den Schläuchen und Verbänden hervordrang. Im ersten Moment war ich mir nicht ganz sicher, aber er hatte die Augen einen Spaltbreit offen. Ich war so aufgeregt, dass ich auf den Korridor hinausrannte und eine Schwester holte, die einen Arzt informierte. Er bestätigte, dass Oscar tatsächlich wach ist.
Nach wie vor gibt es viele offene Fragen. Ich weiß nicht, ob er mich erkennt oder irgendetwas wahrnimmt. Sie sind nicht sicher, wie lange es dauern wird, bis er richtig bei Bewusstsein ist, aber es ist immerhin ein Anfang. Ich bin so erleichtert!
Ich kann es kaum erwarten, Katie anzurufen!
ACHTUNDZWANZIG
Ramona
A n diesem Abend sitze ich gemeinsam mit Katie vor dem Computer und drucke Flyer aus, mit denen wir am Freitag in aller Frühe zu den Ausgangspunkten der beliebtesten Wander- und Laufstrecken fahren wollen
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